Hammergeile Zeiten: So entstand Metallicas KILL ’EM ALL

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Vom Kultur-Clash zum Kult: Das Metallica-Debüt KILL ’EM ALL verband die europäische mit der amerikanischen Szene und gebar in diesem Prozess einen Bastard, der zwischen Speed Metal und Thrash tobte. Wir blicken zurück und belichten die Geschichte eines Albums, das Stilvorgaben förmlich niederbrannte – nicht zuletzt dank eines Gitarristen mit feuerroten Haaren.

Die Story zum Metallica-Debütalbum KILL ’EM ALL stammt aus METAL HAMMER-Ausgabe 02/2013. In unserem Online-Archiv könnt ihr sie komplett und im Originallayout lesen, genau wie alle anderen Inhalte aus 30 Jahren METAL HAMMER. 

Es werde Licht!

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James Hetfield war wahrhaft nicht begeistert. Dieser Däne trommelte nicht nur unterdurchschnittlich, es haperte auch an Grundsätzlichem. „Lars hatte ein ziemlich beschissenes Drumkit mit nur einem einzigen Becken“, denkt Hetfield leicht hämisch an die erste gemeinsame Jamsession zurück. „Das Ding fiel ständig um, und wir mussten oft aufhören zu spielen.“ Hetfield hoffte, nein: Er wusste, dass er niemals mit diesem Typen in einer Band spielen würde. Diese Ansicht änderte sich radikal, als ihm Ulrich im Herbst 1981 von der Chance erzählte, einen Song auf einem Sampler veröffentlichen zu können. In solche Sphären war der weitaus versiertere James Hetfield mit seinen Kapellen bislang nie vorgestoßen. Eine davon, Leather Charm, hatte mit ‘Hit The Lights’ und ‘No Remorse’ einige Lieder im Repertoire, die mit Ulrich und Hetfields Kumpel Ron McGovney am Bass geprobt wurden. „Lars war als Drummer echt gut geworden“, zeigte sich Hetfield beim zweiten Jam überrascht.

Das Gesamtpaket stimmte nun. Hier der hyperaktive Däne, dessen Redseligkeit in einem funktionierenden Netzwerk resultierte. Dort der verschlossene Frontmann, der seinen Aggressionen und Frustrationen in den Liedern freien Lauf ließ.Metallica waren gegründet – und auch wieder nicht, weil sowohl noch Musiker als auch ein Name fehlten. Ulrich und Hetfield befeuerten sich gegenseitig mit ihren Favoriten und erweiterten so ihr musikalisches Spektrum. „Ich hörte nur melodisches Zeug wie Kiss, Scorpions, AC/DC und Punk-Kram wie Ramones oder Sex Pistols“, erläutert Hetfield seine damalige Begeisterung. „Als Lars mit dem ganzen harten Underground-Kram ankam, hat es mich echt umgehauen.“

Nachdem McGovney eingewilligt hatte, den Bass zu übernehmen, wurde mittels einer Anzeige im Recycler-Magazin, über das sich bereits Hetfield und Ulrich kennengelernt hatten, ein möglichst versierter Sologitarrist gesucht. Der war mit dem Jamaikaner Lloyd Grant zwar schnell gefunden, doch die Band hielt weiter Augen und Ohren offen. „Lloyds Soli waren grandios“, erläutert Hetfield die damalige Verunsicherung. „Aber er hatte Defizite im Rhythmusbereich.“ Kein Problem: Der nächste Kandidat stand schon parat. Allerdings war dieser es nicht gewohnt, vorspielen zu müssen. In seinen bisherigen Bands hatte Dave Mustaine nicht nur das größte Talent, sondern auch das Sagen. Doch anstatt einer ordentlichen Audition erwartete ihn eine ausgelassene Party, bei der ihm die Zusage einfach so in den Hintern geschoben wurde.

„Hatten meine Aufwärmübungen sie schon so beeindruckt, dass sie mich unbedingt in der Band haben wollten?“, wunderte sich der damals 20-jährige Mustaine. „Heute denke ich, dass sie einen richtigen Test vermeiden wollten, weil mir ihre Fähigkeiten und das musikalische Niveau, auf dem sie sich befanden, aufgefallen wären.“ Die Band hatte einen neuen Lead-Gitarristen – und ein neues Ego. Mit diesem rothaarigen Dickschädel sollte es später noch einige Zusammenstöße geben. Und zwar sprichwörtlich.

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Klassischer Cliffbanger

Am 6. Juli 1982 spielten Metallica ihr legendäres NO LIFE ’TIL LEATHER ein: Sieben Stücke (unter anderem ‘Seek & Destroy’, ‘Phantom Lord’), die den weiteren Werdegang der Beteiligten entscheidend beeinflussen sollten und von denen vier von Dave Mustaine stammten. „Ich will nicht verbittert klingen, aber diese Bemerkung muss sein“, argumentiert der Gitarrist seinen entscheidenden Beitrag zum damaligen Durchstart. „Mit dem Demo nahm das Underground-Phänomen, zu dem sich Metallica entwickelten, seinen Anfang.“ Die Band absolvierte weiter fleißig Gigs an der Westküste, doch anstatt dass dies das Zusammengehörigkeitsgefühl steigerte, zeigte das Gefüge erste ernsthafte Risse. Vorläufiger Höhepunkt war die Prügelei zwischen Hetfield und Mustaine, nachdem dessen Hund von Hetfield getreten worden war. Zudem hatte Mustaine Probleme, sein Temperament zu zügeln – vor allem auch unter Alkoholeinfluss.

Die Beziehung zwischen ihm und Ron McGovney war auf dem Tiefpunkt angelangt, nachdem Mustaine absichtlich eine Dose Bier auf dem Tonabnehmer von McGovneys Instrument ausgeschüttet hatte. Die Band war generell mit dem kreativen Beitrag ihres Bassisten unzufrieden. „Er spielte nur nach und scheute Risiken“, kritisiert Ulrich. „Wir haben alle gespürt, dass er als Typ nicht wirklich bereit für die Band war.“ Da begegnete ihnen im Herbst 1982 eine der größten Lichtgestalten der Szene. Brian Slagel empfahl Hetfield und Ulrich, das Konzert einer Band namens Trauma zu besuchen, die über einen außergewöhnlichen Bassisten verfügen sollte. Ohne große Erwartungshaltung besuchten die beiden den Gig – um dann komplett weggeblasen zu werden. „Ich hörte dieses wilde Solo und hielt nach dem Gitarristen Ausschau, aber es war keiner zu sehen“, zuckt Hetfield mit den Schultern. „Irgendwann erblickte ich einen Bassisten mit Wah-Wah-Pedal und einem Mop aus Haaren. Der Typ war so auf sich und sein Instrument fokussiert, dass es ihm völlig egal war, ob jemand vor der Bühne stand oder nicht.“

Ein Lead-Bassist: Das war außergewöhnlich und konnte den Unterschied ausmachen. Der Versuch, Cliff Burton loszueisen, schlug zunächst jedoch fehl. Auch hier zahlte sich die Hartnäckigkeit Ulrichs aus. Er blieb mit Burton in Kontakt, und als der sich bei Trauma nicht mehr wohl fühlte, schlug die Stunde von Metallica. Allerdings nur unter der Bedingung, dass die Band nach San Francisco umzog. Metallica waren ohnehin schon länger von der aufkommenden Glam Metal-Welle in ihrer Heimatstadt genervt und drehten Los Angeles bereitwillig den Rücken zu. „Für uns stand fest, dass wir zusammen mit Cliff die beste Band der Welt werden könnten“, erinnert sich Mustaine an die damalige Gefühlslage. Am 28. Dezember fand die erste gemeinsame Probe statt, ab Februar 1983 stellte San Francisco endgültig das neue Hauptquartier von Metallica dar. Das Erfolgsrad begann sich immer schneller zu drehen.

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Die Dolchfurzlegende

Zeit und Geld wurden immer knapper. Zazula hatte die Band mittlerweile im so genannten Music Building untergebracht, wo sie sich nicht nur den Proberaum mit Anthrax teilte, sondern auch übernachtete. Es handelte sich dabei aber nicht um ein Apartment, sondern eine Abstellkammer mit Müllbergen und Schaumstofffetzen. „Die benutzte ich als Matratze“, erinnert sich Hammett an die wenig einladende Behausung. „In dem Zimmer gab es weder warmes Wasser noch eine Heizung. Es war brutal!“ Abgebrannt, verkatert und verkühlt. Bessere Voraussetzungen für ein leidenschaftlich und authentisch eingeprügeltes Debüt gibt es eigentlich nicht.

Doch mit ihrem neuartigen, ungezügelten Mix stießen Metallica bei den Geschäftsleuten auf taube Ohren. Jon Zazula sah das Dilemma nicht als Risiko, sondern als Chance und beschloss, Kredite aufzunehmen, ein Label zu gründen und Metallica ins Studio zu schicken, um das Debüt einzuspielen. Die spontane Überlegung, Armored Saint-Sänger John Bush ans Mikro zu beordern und James Hetfield die Rhythmusgitarre zu überlassen, wurde wieder verworfen. Am 10. Mai starteten die Aufnahmen in den Music America-Studios in Rochester, New York. Da das Material komplett arrangiert war und dank der zahlreichen Gigs hundertprozentig saß, ging es schnell voran. Am 27. Mai war die Arbeit beendet, wenngleich James Hetfield dem Produzenten Paul Curcio nicht gerade das beste Arbeitszeugnis ausstellt.

„Zu keinem der Songs hatte er irgendetwas zu sagen“, rümpft der Frontmann die Nase. „Wahrscheinlich hat er sich nicht getraut. Aber auch klanglich steuerte er nichts bei. So hatten wir sofort einen schlechten Eindruck von Produzenten.“ Ein weiteres Problem stellte der Titel dar: Die Band hatte die Idee, das Album METAL UP YOUR ASS zu nennen, doch dem Vertrieb gefielen weder der Name noch die optische Umsetzung, in der ein Dolch aus einem Klosett ragte und weigerte sich, das Debüt in dieser Form zu veröffentlichen. Cliff Burtons Reaktion („Just kill ’em all!“) wurde kurzerhand zum Titel erkoren – und passte auch zum Grundtenor einer Scheibe, die sowohl rationale Präzision als auch jugendlichen Wahn vermittelte.

Dementsprechend direkt gestaltete sich nun auch das Artwork. „Ich mag das Cover“, nickt Lars Ulrich. „Die Nummer mit dem Hammer und der Blutlache mag simpel aussehen, aber sie funktioniert.“ Als KILL ’EM ALL am 25. Juli 1983 das Licht der Plattenläden erblickte, konnte dennoch niemand vorausahnen, welche Wirkung diese zehn Songs auf die Entwicklung der Metal-Szene haben würden. Metallica saßen zu dem Zeitpunkt bereits wieder im Bus, um ihre erste größere Tour an der Seite von Raven zu spielen. Der Rest ist nicht nur gelebte Geschichte, sondern bis heute ein überwältigender Mix aus Extremsituationen, Tragödien, Exzess, Erfolg und Verlust. Also genau der Stoff, aus dem die besten Lieder sind.

Lest die Story zu Metallica KILL ’EM ALL in voller Länge und im Originallayout in unserem umfassenden Online-Archiv.

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Geoff Tate arbeitet an OPERATION: MINDCRIME III

Mit dem Album OPERATION: MINDCRIME haben Geoff Tate und Queensrÿche 1988 ein absolutes Meisterwerk hingelegt. Ein Konzeptalbum über einen desillusionierten Junkie, der sich einer radikalen terroristischen Gruppe anschließt – und dabei einiges über Liebe, Gesellschaft und Manipulation lernt. Die Platte gilt als eine der besten Metal-Scheiben generell. Das kann man allerdings nicht über den 2006 erschienenen Nachfolger OPERATION: MINDCRIME II sagen. Dort ist der allgemeine Konsens, dass die US-Metaller hier ein unnötiges Sequel produzierten, das die Komplexität des Vorgängers schmälert. Geoff Tate wird MINDCRIME-Platte solo veröffentlichen Nun hat Geoff Tate allerdings angekündigt, dass er sogar an einem dritten MINDCRIME-Album arbeitet.…
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