Mera Luna 2023 -11.08-13.08.2023 – Nachbericht
Wie in jedem Jahr Anfang August war es wieder soweit. Vom 12.-13.8. pilgerten lauter schwarzgekleidete Menschen zum kleinen Flugplatz in Hildesheim, um hier gemeinsam ihre Musik, ihre Szene und ihren Lebensstil zu feiern. Dabei wurde es in diesem Jahr (dunkel-)bunt und politisch wie selten.
Nachdem es im letzten Jahr aufgrund Regengüsse und Baustellen erhebliche Anfahrtsprobleme gab, war dies dieses Jahr erstaunlich gut gelöst und man konnte entspannt gegen 10.00 von der Autobahn runterfahren ohne einmal in einen Stau zu geraten. Nach einer erfolgreichen Findungen eines der knappen Campingplätze, konnte man beginnen sich über das Festival treiben zu lassen, dies ging dann Abends mit den Lesungen, bei der Band PESTILENZIA, der Feuershow, den zahlreichen Mini-Djauftritten auf dem Gelände oder der Hangarparty. Die Nächte auf dem M’era Luna gehen immer recht lange, da die Nachtschattengewächse natürlich dann am aktivsten sind.
Samstag, 12.08.2023
Am Samstag eröffneten ANTIAGE die Mainstage, deren Infield sich nur langsam füllt. Es ist 11 Uhr morgens, nieselt und vielen steckt wohl noch die letzte Nacht in den Knochen – und im Magen. Dennoch heizen die Elektro-Rocker aus Thüringen den Versammelten schon ordentlich ein und nach den kurzen 20 Minuten Show „stirbt“ Sänger Kaa Soleil nach einem auditiven „Schuss“ theatralisch auf der Bühne und ruht sich auf deren Boden während des Applaus aus.
Weit weniger theatralisch geht es danach mit VERSUS GOLIATH weiter, die eine musikalisch gänzlich andere Sparte bedienen als ihre Vorgänger. Ihre Musik lässt sich am besten beschreiben als eine Mischung aus DAS ICH, Industrialeinflüssen und gerapptem Sprechgesang, der nach allgemeiner Unzufriedenheit mit einfach allem klingt. Außergewöhnlich zweifelsfrei, vielleicht auch ein bisschen zu speziell für das Publikum auf dem Mera Luna.
Deutlich verträglichere Töne bietet die schwedische Metalband RAVE THE REQVIEM um Sängerin Jenny Fagerstrandh. Wohl wenige Bands dieses Genres verbreiten auf der Bühne so viel Lebensfreude und Spaß und dieser verbreitet sich auch trotz einsetzenden Regens schnell im Publikum. Wie leider auch schon im letzten Jahr haben die Musiker*innen mit massiven technischen Problemen zu kämpfen, die sich leider durch die gesamte Länge ihres Auftritts ziehen. Gefeiert werden sie dennoch oder gerade deswegen noch ein bisschen mehr.
Nebenan auf der Clubstage sorgten nachfolgend die charmanten Herren von WISBORG für dunkelromantischen Gothrock. Die Band hat sich in den letzten Zeit so einiges an Fanbase erspielt und können bereits zur frühen Stunde die Fläche gut füllen, dabei verzaubert Sänger Konstantin Michaely die Anwesenden wie immer mit seiner Stimme und die Riffs sorgen für das Übrige.
Die strahlende Sonne strafte die Wetterberichte der letzten Tage Lügen, sehr zur Freude der angeblich so sonnenscheuen dunklen Gestalten vor der Bühne. Pünktlich betraten um 13.40 die ersten Szenegrößen die Mainstage: TANZWUT begannen unter tosendem Applaus ihren Auftritt. Wie immer badeten die Musiker in der Begeisterung ihrer Fans und nach einem eher ruhigeren Einstieg in ihr Set ließen sie es dann im zweiten Song so richtig krachen und die Anwesenden dankten es ihnen mit wiegenden Leibern, erhobenen Händen und lauten Chören. Die Tanzwut ist zurück und sie lud zu einer ausgelassenen Party ein! Nach einem gefühlt viel zu kurzen Auftritt beendete sie mit dem Song ‘Pack schlägt sich, Pack verträgt sich‘ ihren fulminanten Auftritt und das erste musikalische Highlight des Festivals.
Das Wetter hielt sich weiterhin überraschend stabil, zumindest was die Regenmenge angeht. Ansonsten verwöhnten die niedersächsischen Wettergötter die Festivalbesucherinnen mit einer Mischung aus fast schon heißen Sonnenstrahlen, bedrohlich dunklen Wolken, erfrischenden Windböen und drückender Schwüle. Die war den Urgesteinen der „Neuen Deutschen Härte“ MEGAHERZ allerdings herzlich egal und sie eröffneten mit ‘Vorhang auf‘ ihr Konzert. Die Versammelten vor der Bühne wussten sehr genau, was sie erwarten würde und MEGAHERZ liefern, laut, fordernd und hart. Der Platz vor der Bühne verwandelt sich schnell in einen Schmelztiegel aus erhobenen Händen, schwitzenden Körpern und grölenden Stimmen. Frontmann Alexander Wohnhaas nutzt die Gelegenheit, das neue Album seiner Band „In Teufels Namen“ zu bewerben, machte dabei aber auch in einem ungewohnt politischen Statement Mut, sich selbst nicht so wichtig zu nehmen und mehr an andere zu denken. Der nachfolgende Song „Arschlöcher“ handelt von eben jenen Menschen, die egoistisch und mit ausgefahrenen Ellenbogen durchs Leben gehen und dabei die Leiden anderer billigend in Kauf nehmen. Dagegen aufzustehen sei laut Wohnhaas eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung unserer Zeit. Doch genug des dunkelromantischen Tiefsinns, das Wetter ist zurück und hält sich nun doch an die Vorhersagen – es schüttet wie aus Eimern! Überraschend viele Anwesende trotzen dem mit Schirmen, Regenschirmen oder einfach Akzeptanz dem Unwetter und ließen sich nicht so schnell vertreiben, auch wenn einige Menschen panisch zum Zeltplatzt rannten, um das schlimmste zu verhindern. Der letzte Song von MEGAHHERZ „Himmelsstürmer“ wirkte hier fast wie eine Hommage an den Himmel. Die feiernde, nasse Menge hüpfte umso höher und sang umso lauter mit. So weit kommt es noch, was wir uns das Festival verderben lassen! Doch wieder einmal zeigt sich, dass dieser August lieber ein April geworden wäre und es folgte unmittelbar strahlender Sonnenschein auf die kurze, aber heftige Dusche.
Wer sich also bei der letzten Band nicht trockentanzen konnte, durfte das nun bei DIARY OF DREAMS nachholen, bei deutlich sanfteren Klängen als zuvor. Gefeiert wurden die Musiker natürlich in gleicher Begeisterung, wenn auch mit mehr Tanz und weniger Headbangen. Zumindest zu Beginn, denn schon in ihrem zweiten Song erinnerten die Musiker um Frontman Adrian Hates daran, dass auch sie sich auf härtere Töne verstehen und Schlagzeug und Bass nicht nur zu Dekorationszwecken dabei sind. Doch ging es bei diesem Auftritt eher um Intensität und Emotionen als um ausgelassenes Feiern, was allen Versammelten wohl ziemlich gut getan hat. Nach ihrem letzten Lied „Wirst Du denn nie verstehen“ (in einer seltenen Variante ausschließlich mit Gesang und Keyboard) wurden die Musiker unter lauten Jubel und vielen Zugabe-Rufen von der Bühne verabschiedet.
Es folgte die Szenegröße L’AME IMMORTELLE, die seit über 25 Jahren nicht mehr wegzudenken ist aus Diskos, von Festivals und Gothic-Kompilation. Die Texte von ‘Fünf Jahre lang‘ und ‘Life will never be the same again‘ haben alle in der Szene über eine so lange Zeit durch Herzschmerz und persönliche Krisen begleitet und können entsprechend textsicher von allen mitgesungen werden. Sängerin Sonja Kraushofer ist eine begnadete Künstlerin und ihre Stimme hat sich in all der Text mehr vervollkommnet, als das sie an Kraft verloren hätte.
Um den retroromantischen Reigen perfekt zu machen, schließt sich JOACHIM WITT mit Band an, Joachim Witt selber wirkte recht fit und gab uns mit ‘Kopfschwul‘, ‘Treibjagd‘ wieder einiges um die Ohren. So einige wurden dann auch noch mit einem Heppner/Witt ‘Die Flut‘ Duett überrascht. Auch die Ansagen waren diesmal nicht so verwirrend wie beim letzten M’era Auftritt und so konnte das Publikum entspannt feiern, natürlich endet der Auftritt mit einem fulminanten ‚Goldener Reiter‘ .
Während Witt verdunkelte sich der Himmel bereits massiv, die erwartete Katastrophe blieb jedoch zum Glück aus und so konnten PROJECT PITCHFORK das einigermaßen trocken gebliebene Publikum übernehmen. Das ist dankbar und tanzwillig und so vergeht der einstündige Auftritt wie im Fluge. Der strömende Regen, der den Highlight-Song ‘Timekiller‘ begleitete, war dankenswerterweise nur kurz und so konnten IN EXTREMO um Punkt 21 Uhr eingeleitet von einem ohrenbetäubenden Knall ihren Auftritt beginnen. In gewohnter Manier verwandelten die Mittelalter-Rocker das Infield schnell in eine große, laute Party. Lieder wie ‘Vollmond‘ und ‘Liam‘ werden aus voller Kehle mitgesungen, teilweise sogar nur vom Publikum. Die vornehme Zurückhaltung der Szene eskaliert bei dieser Bühnenshow total und die erste Pyro an diesem Tag befeuert die Stimmung im wahrsten Sinne des Wortes noch zusätzlich. Die erste Live-Performance des neuen Songs ‘Weckt die Toten‘ tut ihr übriges und erst mit dem Antikriegs-Lied ‘Lieb Vaterland‘ kehrt wieder etwas Disziplin und Ruhe ein.
Um die ist es aber beim letzten Auftritt des Tages schon wieder geschehen, als VILLE VALO die Bühne betritt. Seit den Anfangszeiten seiner ehemaligen Band HIM begleiten den Sänger verzückte Mädchen Schreie und eine Verehrung, die ihresgleichen sucht. Die Begeisterung der Fans wird natürlich durch alte Klassiker wie ‘Join Me‘ und ‘Poison Girl‘ bedient und fast scheint es, als seien die letzten 30 Jahre gar nicht geschehen. Ville Vallo machte auf der Bühne aber aller schwarzen Tränen zum Trotz einen recht kaputten und ungesunden Eindruck und der Auftritt fing nicht mehr jeden ein. Nach einem fulminanten Auftritt werden schließlich alle in eine selige und erschöpfte Nachtruhe entlassen, wie ruhig auch immer die wohl werden würde.
Sonntag, 13.08.2023
Nach einer gefühlt viel zu kurzen Nacht eröffneten DRAGOL bei bestem Wetter den zweiten und leider auch letzten Tag des Festivals. Der Platz vor der Bühne war gut besucht und die noch vergleichsweise unbekannte Band wurde laut und begeistert gefeiert. Ihr musikalisches Konzept zieht (sanfte und helle Frauenstimme neben männlichem „Kreischgrunzen“) und ist ein langerprobtes Stilmittel in der Szene.
Die nachfolgende Band kann kaum noch als klein bezeichnet werden. HELDMASCHINE sind ein Nebenprojekt der Rammstein-Coverband VÖLKERBALL und verfügen über eine breite Fanbase. Der volle Rasen vor dem Infield lässt vergessen, dass es nicht einmal 12 war und die Musiker waren so entspannt und gut gelaunt, dass es auf alle anfärbte. Die Party war kurz und intensiv, dennoch sind viele danach verschwitzt und außer Atem – und der Sonntag hatte gerade erst angefangen!
MANNTRA spielen nun ihren Folkmetal auf, die Band konnte sich in den letzten zwei Jahren bereits so einiges erspielen und sorgt so früh am Tag bereits für eine ausufernde Stimmung. Mit Songs wie ‘Ori, Ori‘, ‘Königsmord‘ und ‘Morona‘ legten Sie hier eine gute Setlist hin und sorgen für ein munteres Tanzen.
Die norwegische Band GOTHMINISTER konnte mit exzentrischen Outfits und liebevoll auf der Bühne drapierten Skeletten überzeugen. Nur leider hat auch hier mal wieder die Technik nicht so gut mitgespielt wie die Band, was den Anwesenden aber zum Glück egal war. Es wurde gemoscht, gesprungen und gegrölt. Nach ihrem neuen Song ‘Battle of the Underworld‘ räumten die Musiker schließlich für LETZTE INSTANZ die Bühne. Die eröffneten mit ‘Ehrenwort‘ von ihrem letzten Album das Konzert, blieben allerdings leider auch nicht verschont von den nahezu omnipräsenten Technikdebakeln. Der Stimmung tat das zum Glück keinen Abbruch und zu Pyroshow und Songs wie ‘Wir stehn das uns trinken‘ oder ‘Todestag‘ wurde ausgelassen gefiert. LETZTE INSTANZ traten das erste Mal 2000 auf dem Mera Luna uns bedankten sich nun bei ihren Fans für die jahrelange Treue und den langen gemeinsamen Weg. Dabei wurde Sänger Holly Loose sogar richtig emotional und das nachfolgende Lied ‘Wir sind eins‘ kann getrost als kitschig bezeichnet werden. Der Auftritt war zu kurz, doch das ist wohl Fluch und Segen eines jeden Festivals…
THE 69 EYES sind eine dunkelromantische Größe der 90er Jahre und haben es wie kaum eine zweite Band aus dieser Zeit geschafft, sich musikalisch weiterzuentwickeln, ohne ihren ganz eigenen Stil völlig zu verlieren. Mittlerweile sind die Musiker aus Finnland ihrem dauertraurigen Grufti-Image entwachsen und ihre Musik ist deutlich rockiger geworden, sogar mit leichte Rock’n’rolls Einschlägen. Die Fans lieben es und feiern die Band angemessen dafür. Trotz neu entdeckter musikalisches Vielfalt durften aber natürlich Hits wie ‘Brandon Lee‘ und ‘Gothic Girl‘ nicht fehlen, beide jeweils rockiger als früher.
Von PETER HEPPNER im Gegenzug wurde keine Innovation erwartet und sie wurde auch nicht geliefert. Bei ehemaligen WOLFSHEIM Klassikern sind immerhin alle textsicher , auch wenn die Party natürlich überschaubar blieb, aber wie viel will Mensch zu Liedern wie ‘Once in a lifetime‘ auch feiern? Es gab viel Applaus und das Publikum schwelgte entspannt in dem dunklen Sound, bei ‘Was Bleibt‘ gesellt sich dann auch noch Joachim Witt mit auf die Bühne und würzt den Auftritt noch etwas mehr.
Party gab es allerdings bei der nachfolgenden Band SUBWAY TO SALLY dafür umso mehr. Die Mittelalter-Rocker scheinen jeden ihrer Auftritte schon seit Jahren immer wieder in eine große und laute Sause mit unbekannten Freunden zu verwandeln und enttäuschten auch dieses Mal nicht. Begleitet von Geigerin Ally Storch gaben sie alte und neue Hits zum besten. Von ‘Veitstanz‘ über „Kleid aus Rosen“ bis hin zu ‘Eisblumen‘ blieb kaum ein Wunsch unerfüllt und beendet wurde die famose Party natürlich mit ‘Julia und die Räuber‘. Alles andere hätte vermutlich auch zu tumultartigen Zuständen geführt!
MONO INC. konnte die dankbare Menge aufgeheizt und willig übernehmen. Sänger Martin Engler spielte auf dem Publikum wie auf einem zusätzlichen Instrument und intonierte gemeinsam mit den Anwesenden ‘Mera Luna‘ (Umgedichtetes ‘Halleluja‘ von Rufus Wainwright). Er erinnerte alle daran, dass es im Leben vor allem um eines geht, nämlich Liebe. Wir alle wollen geliebt werden und sollten entsprechend miteinander umgehen und einander respektieren und schätzen. Weise Worte, die bei diesem Festival allerdings fast unnötig sind, ist doch kaum irgendwo das Schwarz bunter und der Ton toleranter ist als hier. Zum Abschluss des Auftritts erfreuen MONO INC. die Festivalbesucher mit einer der Hymnen der Szene ‘Children of the Dark‘. Es wurde getanzt und gefeiert, mitgesungen und einmal mehr der Gothic-Stil zelebriert.
Eine der wenigen Bands, die so ein perfektes Festival wie das diesjährige Mera Luna angemessen beschließen könnten, sind wohl WITHIN TEMPTATION und ihnen wird diese Ehre auch zuteil. Frontfrau und Sängerin Sharon Janny den Adel beschrieb ihre Auftritte hier wie ein wohlfühliges „Nach Hause Kommen“ und die Anwesenden stimmen ihr wohl uneingeschränkt zu. WITHIN TEMPATION lieferten eine perfekte Show, ohne den kleinsten Fehler und begeisterten außerdem durch ein überdeutliches politisches Zeichen, nämlich das Schwenken einer Ukraine-Flagge. Neben etlichen Pyros und Hits gabs es übrigens auch noch den neuen Song ‘Bleed Out‘ auf die Ohren und damit sorgte die Band für einen perfekten Abschluss des Abends.
Was bleibt nach diesem wundervollen Wochenende? Die Freude, etwas Einzigartiges erlebt haben zu dürfen, Dankbarkeit über so eine großartige Szene, viele besondere Momente, der ein oder andere Kater, ob im Kopf oder in den Muskeln – und die traurige Gewissheit, jetzt wieder ein Jahr warten zu müssen, um hier wieder gemeinsam zu feiern
Text: Nina Malik & Birger Treimer
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