Die Location
Die Berliner Waldbühne ist mit ihrer beeindruckenden Architektur ein Garant für epische Konzertabende – wenn die Kulisse stimmt, der Sound sitzt und die Band weiß, wie sie mit dem Publikum auf den Stufen des steilen Amphitheaters umgehen muss. Kurz: Für Iron Maiden ist die Waldbühne ein echter Glücksfall und sorgt bei den Zuschauen für magische Gänsehaut-Momente, wenn die Klassiker angestimmt werden. Ärgerlich: Beim Einlass gab es Verzögerungen, sodass The Raven Age bereits zu Toröffnung beginnen mussten.
Die Vorbands
Als Support reisen die moderne Metal-Formation The Raven Age (die vermutlich von dem direkten Verwandtschaftsverhältnis ihres Gitarristen George Harris zu den eisernen Jungfrauen profitieren) und die schwedischen Okkult-Rocker Ghost, die erst vor kurzem einen Grammy für die beste Live-Performance überreicht bekamen, im Tourtross mit. Beide liefern ab – vor allem die Opener überraschend routiniert und souverän. Die okkulte Dramatik einer Ghost-Show geht in dem weiten Rund des Amphitheaters zwar etwas verloren, die Songs überzeugen aber auch bei Tageslicht. Dennoch: Ghost sind und bleiben Hallen-Material.
Die Setlist
Ist nach über 40 Konzerten der Tour natürlich längst bekannt und bietet dementsprechend auch keine Überraschung. Anders als Twisted Sister-Gitarrist Jay Jay French glauben die Briten zudem an ihr neues Material: Die gleich sechs neuen Songs von THE BOOK OF SOULS passen überraschend gut zwischen Klassiker wie ‘Children Of The Damned’ oder ‘Powerslave’. Selbst das zehn Minuten lange ‘The Book Of Souls’ wird live präsentiert. Wermutstropfen: ‘Run To The Hills’ wurde ersatzlos gestrichen, dafür hat das neue ‘Death Or Glory’ Klassiker-Potential. Natürlich fehlen Hits – insgesamt ist das aber mehr als rund!
Das Wetter
Alles halb so wild. Ein paar Tropfen hier, ein bisschen Donner da – entgegen der dramatischen Weltuntergangs-Vorhersagen blieb es ansonsten ruhig mit vereinzelten Sonnenstrahlen. Perfektes Open Air-Wetter in Berlin.
Held des Tages
Der übermütige Langhaarige, der während ‘The Trooper’ auf eine (ausreichend von der eigentlichen Bühne) entfernte Plattform unterhalb des linken Lautsprecherturmes klettert und für zehn Sekunden ausgiebig die Haare schüttelt, bevor er unsanft von der Security entfernt wird.
Die Bühnen-Kulisse
Angelehnt an das Artwork und Haupt-Thema von THE BOOK OF SOULS errichten Iron Maiden einen Maya-Tempel auf der Bühne, hinter dem fleißig der Hintergrund ausgetauscht wird, wenn Klassiker wie ‘The Trooper’ anstehen. Natürlich gibt es Feuer, einen Stelzen-Eddie, dem Bruce Dickinson zu ‘The Book Of Souls’ das Herz herausreißt und selbiges die Menge wirft, ein Beast, das zu ‘The Number Of The Beast’ finster über die Bühne blickt sowie eine beeindruckende Lichtshow. Iron Maiden drehen zu Recht das ganz große Produktionsrad, ohne dabei den Rock’n’Roll aus dem Blick zu verlieren. Stark!
Die Show
Iron Maiden sind ohne Wenn und Aber die Meister ihres Faches. Musikalisch natürlich über jeden Zweifel erhaben rocken sich die Altmeister der New Wave of British Heavy Metal durch das knapp zweistündige Set. Dabei überzeugt Bruce Dickinson mit unnachahmlicher Stimm-Sicherheit und drahtiger Agilität – er sprintet durch die Kulisse, schwenkt zu ‘The Trooper’ den Union Jack, “bekämpft” Eddie, posiert und rockt. Auch seine Ansangen sind gewohnt charismatisch, sodass die knüppelvolle Waldbühne dem Sänger schon nach Sekunden aus der Hand frisst und begeistert jeden Ton, jedes Solo und jede Zeile feiert. Was für eine Atmosphäre!
Besonders witzig ist dabei die Ansage zum Richthofen-Song ‘Death Or Glory’, bei der Dickinson ein während der Tour entstandenes Internet-Meme aufgreift und zur Textzeile “Climb Like A Monkey” alberne Affenbewegungen vom Publikum fordert (“ihr sollt euch genauso bescheuert fühlen wie ich mich fühle”). Die Waldbühne macht mit – ein einmaliges Bild. Spätestens bei ‘Fear Of The Dark’, als erstem Song nach Sonnenuntergang, ist dann absolute Gänsehaut angesagt als die 20.000 Anwesenden in den Chor einstimmen. Das können dann auch die Über-Hits ‘Iron Maiden’, ‘The Number Of The Beast’ oder ‘Blood Brothers’ nicht mehr toppen, auch wenn gerade bei letzterem natürlich das gesamte Amphitheater einstimmt. Nach dem wundervollen ‘Wasted Years’ ist Schluss – und jedem Anwesenden hier klar, warum gerade diese Band ihren Legenden-Status völlig zurecht über 30 Jahre verteidigen konnte. Danke, Iron Maiden – up the Irons!