Freitag, 17.04.2009
Den Auftakt zum sechsten Doom Shall Rise geben die Münchner Extorian. Klanglich im Fahrwasser von Candlemass angesiedelt, wünscht man sich leider mehr als einmal deren Rob Lowe ans Mikro. Was da von den beiden Frontfrauen geleistet wird, ist mehr als nur einmal bedenklich schräg. Stimmung kommt so noch keine auf.
Lord Of The Grave zeigen dann, wie man auch mit nur einem Dicke-Eier-Riff einen Song auf zehn Minuten ziehen kann, ohne Langeweile aufkommen zu lassen. Und siehe da, kaum kommen eine energische Show und fettes Riffing, wacht das Publikum in der Kapelle auf und die ersten Hände geben Applaus. Geht doch! Ob die Band diese Energie aus ihrem vor dem Konzert verzehrten Powerfood „Korea mit Löffelbiscuit“ bezieht, sei mal dahin gestellt.
Bedingt durch eine Kehlkopfentzündung von Sängerin Alex müssen die Mädels von shEver leider absagen, daher sind als nächste Band schon die Peruaner Reino Ermitaño am Start. Glücklicherweise beschränken sich die drei Jungs um Frontfrau Tania nicht darauf, zähe und schleppende Riffs zu verarbeiten, sondern lassen auch mal die Heavy-Metal-Axt kreisen und geben den Leuten im Publikum die Chance die Matten zu schwingen. So kommt Stimmung auf, und die ersten Gesichter langsamer Glückseligkeit zeigen sich im Rechteck der Kapelle.
Kriechend bewegen sich dann die Doom-Monster von Griftegård vorwärts, gewaltig bringen sie die Erde mit einer schier unglaublichen Heavyness zum Beben und es geht so packend und drückend zur Sache, dass einem die Luft wegbleibt. Griftegård machen keine Musik zum Berieseln lassen, es ist vielmehr der dichte und beklemmende Sound, der fesselt. Auch wenn der schwermütige Gesang von Thomas Eriksson alles abverlangt – in heiligen Stätte macht sich Begeisterung breit.
Die alten Haudegen von Pagan Altar werden von vielen im Publikum sehnsüchtig erwartet, Gelegenheiten, diese Band zu sehen, kommen schließlich nicht alle Tage. Pagan Altar bleiben aber weit unter ihren Möglichkeiten. Sowohl der Gesang von Terry Jones, der viel zu oft Probleme hat den Ton zu treffen und zu halten, als auch das Zusammenspiel der ganzen Band lassen sehr zu wünschen übrig. Glücklicherweise sprechen aber die alten Gassenhauer für sich, so dass niemand im Publikum allzu sehr auf die Spielfehler achtet. Ergo werden Pagan Altar von den Meisten abgefeiert.
Revelation zocken ihre Songs glücklicherweise erheblich versierter. Die 2007, nach acht Jahren Pause, wiedervereinigte Band, zeigt eine mehr als solide Show, bei der im Gegensatz zu Pagan Altar auch endlich wieder die Töne getroffen werden. Auch wenn die neuen Songs nicht ganz so knackig rüberkommen wie die Klassiker, ziehen die Mannen um John Brenner das Publikum in ihren Bann. Die Show jagt noch mal richtig Schauer über den Rücken und bietet so einen schönen Abschluss des ersten Tages Doom Shall Rise 2009.
Samstag, 18.04.2009
Die Arschkarte des Openers haben heute die Chilenen Procession gezogen. Teile des Publikums haben die Nacht trotz 6 Grad Außentemperatur und Regen im Freien verbracht, und entsprechend frostig sind anfangs die Reaktionen. Die Jungs machen das Beste draus, rocken sich fröhlich durch den frühen Nachmittag und können am Schluss viele zufriedene Gesichter verbuchen – und das gute Gefühl, die Kapelle gefüllt zu haben.
Mit Syrach steht dann auch gleich die erste Band an, die dem eher am klassischen Doom orientieren Publikum des Doom Shall Rise etwas abverlangt. Die Doom Deather aus Norwegen geben Gas und starten gleich mit dem komplexen 14-Minüter „The Firm Grip Of Death“. Die Reaktionen des Publikums sind zuerst verhalten, aber Frontmann Ripper Olsen und seine Genossen posen ausgiebig und haben dabei jede Menge Spaß. Die logische Konsequenz: das Publikum wird mitgerissen, Hörner werden gereckt und die Haare fliegen. Langsam, versteht sich. Der erste wirkliche Lichtblick des Tages, aber bei weitem nicht der Letzte.
Tortured Spirit, tief im traditionellen Doom verwurzelt, machen ihre etwas rumpelige Show mit viel Charme wieder wett. Da kann man auch mal darüber hinwegschauen, dass doch ab und an ein Einsatz versemmelt wird oder auch stimmlich nicht alles Gold. Hauptsache die Atmosphäre stimmt, es wird zäh gedoomt, geschrammelt, gejammert und ab und an auch treibend nach vorne gegroovt. Tortured Spirit haben sicher noch Luft nach oben, aber wenn man die Show mehr mit dem Bauch als mit dem Gehirn betrachtet, recken sich sogar zwei Daumen in die Höhe.
Den Slot der extremsten Doom Band beim Doom Shall Rise 2009 haben Black Shape Of Nexus inne. Ein unsagbar zäher Sound-Koloss bäumt sich auf, die Gitarren sind bis aufs Äußerste verzerrt und der Bass bohrt sich in die Magengrube – der unheilige Mannheimer Sechser bietet keine leichte Kost. Ein Gewitter bricht über die mittlerweile warmgelaufenen Zuschauer herein, eine destruktive Show, gerade wegen Front-grizzly Malte mit seinem Kehlkopfmikro. Eine unheimliche, beinahe beängstigende Energie baut sich auf und lässt im Publikum einige offene Münder zurück. Für diese Show ernten Black Shape Of Nexus den bis dato lautesten Applaus des Tages, und das mehr als verdient.
Nach zackiger Umbaupause schwenken The Lamp Of Thoth wieder die Fahne des traditionellen Dooms. Nach der Zerstörungs-Orgie von Black Shape Of Nexus wirkt der Dreier aus England mit seinen Anleihen bei alten Black Sabbath und St. Vitus herrlich altbacken. Gerade die etwas schnelleren Songs mit ihrem NWOBHM-Schild gehen gut ab. Eine sehr sympathische Band.
Mit ihrem selbstbetitelten Debüt im Gepäck kommen die Schweden Semlah in die Kapelle. Knallharte Riffs, drückende Drums, der außergewöhnliche Gesang von Johan „Joleni“ Nilsson, und dazu starke Songs im für Doom-Verhältnisse gehobenen Tempo – Semlah können hier gar nichts falsch machen.
Nach zwei Shows mit klassischem Doom steht nun wieder ein Stilwechsel an. Die Würzburger Omega Massif zocken Instrumental-Musik ohne das klassische Vers-Refrain-Schema, in deren meist langsamer, trostloser, finsterer Sound-Wand man versinken möchte. Die Bühne ist nur mit einer einzigen Schwarzlichtlampe beleuchtet, so dass Omega Massif auch optisch eine düstere und seltsam anheimelnde Atmosphäre erzeugen, die die Stimmung der Songs bestens unterstreicht.
Voodooshock wirken nach der stimmigen Show von Omega Massif leider etwas deplaziert. Bei der leicht kopflastigen Musik springt der Funke nicht recht über, auch wenn handwerklich alles stimmt. Der Auftritt wirkt schlicht schal und es bleibt ein fader Nachgeschmack.
Um kurz vor 23 Uhr steht dann das Highlight an, auf das augenscheinlich viele der Anwesenden gewartet haben: der Auftritt von Lord Vicar. Die Erwartungshaltung ist hoch, denn schließlich haben Lord Vicar mit FEAR NO PAIN eines der stärksten Doom-Alben der letzten Zeit rausgeboxt. Aber niemand wird enttäuscht, die Band um ex. Reverend Bizarre Gitarrist Peter Vicar und den ehemaligen St. Vitus Fronter Chritus weiß schließlich genau, wie man mit schwermütigen Melodien und fetten Riffs eine feierliche Stimmung erzeugt. Viel Leiden, viel Theatralik, Songs wie das großartige „A Man Called Horse“ oder das megaepische „Born Of A Jackal“ reißen alle mit. Es bildet sich im Verlauf des Gigs sogar kurzzeitig so etwas wie ein Moshpit – für Doom-Verhältnisse jedenfalls. Lord Vicar inszenieren das ganz große Doom-Kino, nur ist die ganze Herrlichkeit nach einer Stunde Spielzeit schon viel zu schnell wieder vorbei.
Die Lord Vicar Gänsehaut steht einem noch auf den Unterarmen, als Scott „Wino“ Weinrich mit seinem Solo-Projekt die Bühne betritt. Und dieser wird von den Doom-Jüngern umgehend abgefeiert, als gäbe es kein Morgen – bevor er überhaupt die Gitarre in der Hand hält. Und egal, ob mit dem bluesigen „Release Me“ oder dem wütenden „Punctuated Equilibrium“ (dem Titel-Track des Albums) – Wino rockt sich lässig quer durch sein Solo-Album und schickt die Doom-Jünger in Göppingen nach über einer Stunde überglücklich in die verdiente Ruhe. An Nachtruhe kann allerdings noch niemand denken, denn die geilen Shows der letzten beiden Bands müssen erst noch bei einem Feierabendbier verarbeitet werden…