Am Tag treffen wir unzählige Entscheidungen. Beispielsweise darüber, ob wir etwas für einwandfrei, leidlich oder durchwachsen befinden; darüber, was wir essen sollen; welche Aufgabe wir heute oder morgen erledigen. Aber auch vorm Kleiderschrank erleben viele die Qual der Wahl: Was ziehe ich an? Viele machen es sich einfach, indem sie rasch in den Kleiderschrank greifen und genau das tragen, was eben gerade oben liegt. Sowohl Albert Einstein, Barack Obama und Steve Jobs trugen sogar immer dasselbe Outfit – zumindest zur Arbeit. Andere wiederum machen sich täglich oder zumindest zu besonderen Gelegenheiten ausgesprochen viele Gedanken, in welchen Klamotten sie ihren Tag oder Abend verbringen möchten.
Viele Kleiderschränke sind längst nicht mehr mit reinen Gebrauchsgegenständen gefüllt, die warmhalten und vor jeglicher Witterung schützen sollen. Vielmehr verhilft sein Inhalt dem Ausdruck der eigenen Persönlichkeit. So auch im Heavy Metal. Genau wie sich seine Subgenres stetig weiterentwickeln, unterliegen parallel auch die zugehörigen Styles einem stetigen Wandel. Im Folgenden werfen wir einen Blick in die Kleiderschränke der wichtigsten Strömungen der 80er- und 90er-Jahre.
Lack, Leder und Spikes: Eine Uniform
Die Pilzköpfe der Beatles waren schon längst herausgewachsen, als sich Nietengürtel und Stachelarmbänder zum Trend mauserten. Stacheln erwiesen sich als ideale Accessoires zu Lack und Leder. In das kleideten sich Heavy Metal-Fans der Achtziger Jahre gerne von Kopf bis Fuß. Dass Judas Priest den damals angesagten Style regelrecht perfektionierten, sei laut Gitarrist K. K. Downing kein Zufall: Lack, Leder, die Farbe Schwarz und Stacheln in jeglicher Form dienten der Band als Uniform, als Wiedererkennungsmerkmal. In einem Interview meinte er: „We weren’t exactly the same – we all had our different clothes – but the common denominator was leather, black and studs.“
Knallenge Jeans und knöchelhohe Sneaker: Der Thrash-Klassiker
Die „Big Four“ des Thrash Metal – also Anthrax, Megadeath, Slayer und Metallica – und viele weitere Bands des zu Beginn der Achtziger aufkeimenden Genres griffen einige modische Elemente des klassischen Heavy Metal auf. Darüber hinaus nahm die Thrash Metal-Gemeinde einige Anpassungen vor: Die Jeans wurden enger und enger, Nietengürtel flogen aus der Garderobe und wurden durch welche mit Patronen ersetzt, und statt Boots legte man sich knöchelhohe, weiße Sneaker zu. Die gute Lederjacke hingegen blieb erhalten – oft mit Buttons besetzt.
Spandex, Plateau und Haare: Der Ausrutscher
Zeitgleich erlangte ein Subgenre Popularität, das damals wie heute von vielen als Ausrutscher der Metal-Geschichte wahrgenommen wird: Glam Metal aka Hair Metal. Über den musikalischen Output lässt sich streiten, doch erwähnenswert hinsichtlich ihres Styles sind Glam Metal-Bands auf jeden Fall. Schließlich wurden entsprechenden Musikern sowohl kompositorische Fähigkeiten als auch musikalische Relevanz abgesprochen, weil sie sich ihre Haare hochtoupierten und vermeintlich mit Äußerlichkeiten aufhielten. Dabei war Glam Metal nicht unbedingt eine neue Erscheinung: Bereits in den Siebziger Jahren experimentierten Glam Rock-Bands wie The Sweet und die New York Dolls mit auffälligen Styles und Poser-Attitüde. Der Glam Metal trieb das, was ein Jahrzehnt zuvor begonnen wurde, mit knallengen Spandexhosen, Plateauschuhen, Bandanas und Tiermustern auf die Spitze.
Flanell, verwaschen und schwer: Eine Gegenbewegung
Erst Mitte der Neunziger Jahre verdrängte eine neue Bewegung aus Seattle den Glam Metal – und zum Leidwesen vieler Fans zahlreiche Metal-Bands anderer Subgenres – von der Bildfläche. Grunge stand dem Glam Metal sowohl musikalisch als auch ästhetisch komplett entgegen: Zwar unterschieden sich einige Grunge-Bands untereinander ungemein, doch verband sie alle das Bedürfnis, der glatten Klangästhetik des Mainstreams entgegenzuwirken und das Leid, die Hässlichkeit der Welt widerzuspiegeln. Zumindest, bevor sie selbst zum Mainstream wurden. Dementsprechend unaufgeregt war der Style, der sich durch schwere Boots, verbeulte T-Shirts und Hemden aus Flanell auszeichnete.
Trainingsanzug und Dreadlocks: Der Vielfältige
Dass im Nu Metal mehrere Genres aufeinandertrafen, die zumindest in ihrer Reinform stark kontrastieren, erkannte man auch am Style der Bands und Fans, der besonders in den Neunzigern konsequent gelebt wurde. Bezeichnend waren schlotternde Baggy Pants, (für Jonathan Davis gerne auch mit Pailletten besetzte) Trainingsanzüge, grundsätzlich überdimensionierte T-Shirts, Mützen und Ketten. Frisurtechnisch war von Dreadlocks über Braids bis hin zu Igelfrisuren nahezu alles drin. Vielfältiger ging es wohl kaum.
Schminke und Maske: Das Extrem
Spätestens, seit Alice Cooper seinen Kopf von einer Guillotine abschlagen ließ, ist klar: Drama und Theatralik spielen im Heavy Metal eine große Rolle. Manche Bands gehen sogar so weit, dass sie sich nur in bestimmten Kostümen zeigen, um ihre Geschichte stetig weitererzählen zu können. Beispielswiese sind die Masken der „Nameless Ghouls“ und Tobias Forges geschminktes Gesicht feste Bestandteile des Bühnenkonzepts von Ghost. Zu den aufwändigsten Kostümen hingegen zählen wohl die von Gwar und Lordi, während die Masken von Slipknot gewisse Persönlichkeitszüge der Musiker zum Ausdruck bringen sollen.
Ein Style für jeden Tag ist dies wohl kaum. Stattdessen kann der Metal-Fan im Alltag mit Bandshirt oder -hoodie nicht viel falsch machen und gleichzeitig seine Lieblingsbands unterstützen. Schwarz geht immer, Boots (mit Stahlkappen) ebenso. Fehlt nur noch die persönliche Kutte. Selbstverständlich mit vielen Patches und Buttons versehen.