Grob überschlagen: 500 Ausgaben METAL HAMMER in 40 Jahren – das umfasst selbst bei vorsichtiger Schätzung mehrere Zehntausend Alben. Wenn man dann noch zugesteht, dass schon vor unserer Kioskpremiere 1984 die ersten harten Riffs angeschlagen wurden, dürfen noch ein paar Hundert relevante Ur-Werke dazukommen. Höchste Zeit also, das mal zu sortieren. Hier geht’s zu den Rängen 50-99, die weiteren folgen in den nächsten Tagen.
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Motörhead ACE OF SPADES (1980)
Bereits ein erster verstohlener Blick auf das ikonische Album-Artwork verrät: Diese Scheibe ist ein Killer. Sänger/Bassist Lemmy Kilmister, Gitarrero „Fast” Eddie Clarke und Schlagzeuger Phil „Philthy Animal“ Taylor präsentieren sich hier erstmalig in cooler Cowboy-Outlaw-Kluft und -Pose und verwandeln eine Londoner Sandgrube in einen Spaghetti-Western-Schauplatz. Musikalisch ist das vierte Studioalbum der Band, die auf den Schwingen des vorangegangenen Doppels aus OVERKILL und BOMBER gerade einen Lauf hat, klanglich eines der aufgeräumtesten und ausformuliertesten Werke ihrer Geschichte.
Schließlich legt Produzent Vic Maile gesteigerten Wert darauf, dass Lemmy mehr singt als seine Texte vornehmlich zu shouten. Das Song-Material dazu sitzt perfekt: Angefangen mit der von Glücksspielmetaphern und -bildern gespickten Zockerhymne ‘Ace Of Spades’, die zum ewigen Motörhead-Markenzeichen wird, bis zum finalen Schlussschlag mit ‘Hammer’ gehen dem Trio die Asse im Ärmel keinesfalls aus. Das beweisen unter anderem der mit Klapperschlangenklängen aufwartende Rassel-Rocker ‘Love Me Like A Reptile’, die Revolverheldenschnurre ‘Shoot You In The Back’, Motörheads Roadie-Ode ‘(We Are) The Road Crew’ oder das mit Taylors losgelassener Doublebass auftrumpfende ‘Jailbait’ sowie das melodiöse ‘The Chase Is Better Than The Catch’.
Getrieben von Unmengen Speed drücken Motörhead hier unnachlässig aufs Gaspedal und erzählen dabei schurkenhaft(e) Frauengeschichten sowie Storys von der Straße. Das wohl bekannteste und auch kommerziell erfolgreichste Album der Briten verdient sich sowohl einen Platz in den Annalen der Rock-Geschichte, wie es auch – vor allem, was Schnelligkeit, Power und speziell Attitüde angeht – metallische Tugenden nachhaltig mitbestimmen wird. (Frank Thiessies)
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Pantera VULGAR DISPLAY OF POWER (1992)
Mit COWBOYS FROM HELL (1990) bauten sich Pantera die Startrampe in eine internationale Karriere, mit VULGAR DISPLAY OF POWER hebt die Rakete in Texas endgültig ab. Speziell die kommerzielle Ausrichtung des schwarzen Albums von Metallica im Jahr 1991 motiviert Pantera in dem Wunsch, einen Gang höherzuschalten und zusammen mit Produzent Terry Date „das härteste Album aller Zeiten“ aufzunehmen. Fand man auf dem Vorgänger zumindest noch Spurenelemente der Glam Metal-Vergangenheit des Quartetts, vollziehen Pantera nun den endgültigen Schnitt und führen den Thrash Metal in eine modernere und rhythmisch geprägte Ära.
Die Riffs von Tausendsassa Dimebag (damals noch Diamond) Darrell sind schnittiger, abgehackter, prägnanter, das Rhythmusspiel von Schlagzeuger Vinnie Paul und Bassist Rex Brown pumpt den Hörer permanent mit Adrenalin voll, und über diesen Aggroteppich keift Phil Anselmo (nun ohne Haare) seine muskelbepackte Straßenhundattitüde. Die Scheibe vermittelt metallisches Hardcore-Lebensgefühl und eine rotzige Leck-mich-Einstellung. Die Attitüde ist roh und direkt, der Klang gewaltig (und hat bis heute nichts von seiner brillanten Klarheit verloren). Der vertonte Arschtritt ‘Walk’ ist das Aushängeschild von VULGAR DISPLAY OF POWER, an seiner Seite fräsen sich jedoch weitere Lieder in die Membranen von verschiedenen Metal-Generationen:
Der Opener ‘Mouth For War’ packt direkt beim Kragen, ‘A New Level’ ist das Sägeblatt für jeden Stiernacken, die Halbballade ‘This Love’ eine dynamische Detonation und ‘By Demons Be Driven’ liefert das Öl für jede Rhythmusmaschine, bevor ‘Fucking Hostile’ das Projektil endgültig tödlich und in Hochgeschwindigkeit in den Nervenbahnen versenkt. Groove Metal, New Thrash – all dem öffnet VULGAR DISPLAY OF POWER Tür und Tor. Ein wahrhaft revolutionäres, innovatives und bis in die Neuzeit unendlich einflussreiches Meisterwerk sowie gleichzeitig Panteras erfolgreichstes Album. (Matthias Weckmann)
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Guns N’ Roses APPETITE FOR DESTRUCTION (1987)
Bevor Guns N’ Roses zur „Most Dangerous Band in the World“ werden, sind W. Axl Rose, Slash, Duff McKagan, Steven Adler und Izzy Stradlin lediglich ein Haufen rabiater Trunkenbolde, die ihre Zeit mit Whiskey und Stripperinnen in einschlägigen Lokalitäten von Los Angeles totschlagen. Eine explosive Mischung, denn sie vereint nicht nur die entscheidenden Zutaten für APPETITE FOR DESTRUCTION, sondern die fünf ungepflegten fleischgewordenen Männlichkeitsklischees fegen zudem quasi im Alleingang die androgyne, Haarspray-durchtränkte Glam Metal-Szene der Stadt weg.
Geffen Records-Gründer David Geffen setzt sich unterdessen unermüdlich für seine Zöglinge ein und terrorisiert MTV regelrecht, die Band ins Programm aufzunehmen. Man spielt die Großstadthymne ‘Welcome To The Jungle’ ein einziges Mal, und das zur denkbar schlechtesten Sendezeit. Sofort laufen die Telefone heiß, jeder Rock-Fan will wissen, wer Guns N’ Roses sind, die nun – ein Jahr nach Veröffentlichung des Albums – unverhofft einen Raketenstart hinlegen. APPETITE FOR DESTRUCTION atmet in jeder Note Hard Rock-Geschichte. ‘It’s So Easy’ dient noch heute als Opener bei Konzerten, die Band-Hymne ‘Paradise City’ als obligatorische Zugabe.
Mit der Vorzeigeballade ‘Sweet Child O’ Mine’ erobern die Rowdys die US-amerikanischen Radiostationen im Sturm, und ‘Mr. Brownstone’ dokumentiert ihre ersten Berührungspunkte mit Heroin. Mal werden Verflossene besungen (‘My Michelle’), mal finden Schäferstündchen zwecks Aufnahme im Studio statt (‘Rocket Queen’). Es folgen Tourneen im Vorprogramm mit Aerosmith und als Co-Headliner an der Seite von Metallica. Ende der Achtziger sind Guns N’ Roses die größte Rock-Band des Planeten. APPETITE FOR DESTRUCTION wird zum meistverkauften Debütalbum der Musikgeschichte. (Tom Lubowski)
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Metallica KILL ’EM ALL (1983)
Metal up your ass! Metallica stoßen mit KILL ’EM ALL Tore auf – für sich selbst und unzählige Bands, die von der damals ungehörten Geschwindigkeit und Aggression gepaart mit Präzision und einzigartiger Technik angestachelt werden. Elemente des traditionellen Hard Rock und Heavy Metal treffen auf Hardcore Punk; gemeinsam mit Slayers noch ungehobelterem SHOW NO MERCY gilt KILL ’EM ALL als Geburtsstunde des Thrash Metal. Metallicas Debütalbum lässt einen merklichen Sprung vom NO LIFE ’TIL LEATHER-Demo aus dem Vorjahr erkennen – und dabei nur erahnen, welche Glanzleistungen und irrwitzige Karriere der jungen Band noch bevorstehen werden.
Nachdem sich Ron McGovney mit Dave Mustaine und Dave Mustaine mit den verbleibenden Mitgliedern überworfen hatte, drehte sich das Besetzungskarussell zum Wohl der Band: Kirk Hammetts (teils noch von Mustaine zurechtgelegte) Soli beeindrucken, und der 21-jährige Cliff Burton stellt seine Kunstfertigkeit am Bass zur Schau (nicht nur im Instrumental ‘(Anesthesia) – Pulling Teeth’). James Hetfields im besten Sinne naive, angriffslustige Texte und sein sich überschlagender Gesang holen die Fans ab, und Lars Ulrichs so unkonventionelles wie wirkungsvolles Schlagzeugspiel wird zum Markenzeichen. ‘Seek & Destroy’ gehört ebenso zum Lehrbuch des Thrash- und Heavy Metal (und auf jede ehrliche Metal-Party!) wie das rasende ‘Whiplash’, das galoppierende ‘Motorbreath’, das Headbang-Manifest ‘Hit The Lights’ und die Hymne ‘The Four Horsemen’.
Wen der Geschwindigkeitsschub im letzten Drittel von ‘No Remorse’ nicht aus der Lethargie reißt, sollte sich checken lassen. Dass es der Schlachtruf ‘Metal Militia’ und ‘Phantom Lord’ (trotz Synth-Bass-Intro, klarer Gitarren-Passage, Starkstrom-Riff und dämonischem Refrain) nicht ganz mit den großen Klassikern aufnehmen können, spricht nur für die überragende Qualität dieses Albums! (Sebastian Kessler)
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AC/DC BACK IN BLACK (1980)
Ein Titel wie die Inschrift eines Grabsteins: BACK IN BLACK. Dieses Album ist ein Unikat, ein Juwel, eine einmalige, wenn auch traurige Fügung des Schicksals. Schlichtes Layout, alles in Schwarz, simpel, effektiv. Bedeutet auch: Knapp 42 Minuten trockener, zackiger und energiegeladener Hard Rock, das erste Album nach dem großen Erfolg von HIGHWAY TO HELL (1979) und dem traurigen Tod des charismatischen Sängers Bon Scott. Der Schmerz sitzt tief, doch der Wille zum Weitermachen ist größer. Bon Scott hätte sich genau das gewünscht.
Der Verlust des Frontmanns ist für AC/DC der Aufbruch in eine neue Ära, und unter der Regie der Produzenten Mutt Lange und Tony Platt entsteht mit bislang geschätzt 50 Millionen verkauften Einheiten das erfolgreichste Rock-Album aller Zeiten. Der Erfolg kommt nicht allein von der Trauerbewältigung, auch wenn dies der lyrische rote Faden der Platte ist, denn die Brüder Angus und Malcolm Young (beide Gitarre), Bassist Cliff Williams, Schlagzeuger Phil Rudd und der von der Hard Rock-Formation Geordie rekrutierte neue Sänger Brian Johnson arbeiten im Team brüderlich zusammen, bringen die Songs auf den Punkt, schleifen sie bis zur Perfektion. Es gibt keine großen Experimente zu hören, stattdessen geradlinigen, pumpenden, groovigen, harten Rock.
Allem voran geht Brian Johnson mit seiner unvergleichlichen, roughen, knirschigen, aber messerscharfen Stimme bis an seine physischen Grenzen – das ist mehrmals, so meint man, hörbar. BACK IN BLACK strotzt nur so vor Hits, die wir alle im Schlaf kennen sollten: ‘Hells Bells’, ‘Shoot To Thrill’, ‘Rock And Roll Ain’t Noise Pollution’, natürlich ‘Back In Black’, und mit ‘You Shook Me All Night Long’ einer der größten AC/DC-Radio-Hits, den, fun fact, die Plattenfirma nicht veröffentlichen wollte. Der Tod ihres Sängers Bon Scott macht AC/DC mit diesem Album unsterblich, obwohl er daran nicht mehr beteiligt ist. Hymnen für die Ewigkeit. (Thorsten Zahn)
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Iron Maiden POWERSLAVE (1984)
Dass Maiden mit ihrer PIECE OF MIND-Konstellation das perfekte Line-up gefunden haben, beweist der Nachfolger POWERSLAVE. Erstmals gibt es bei einem neuen Album keinen Besetzungswechsel, und das Resultat muss sich kein bisschen hinter seinem Vorgänger verstecken. Im Gegenteil: Manche bereits für THE NUMBER OF THE BEAST entwickelten Bausteine wirken auf POWERSLAVE endgültig ausgereift – primär die komplexen Prog-Elemente. Das ausleitende ‘Rime Of The Ancient Mariner’ zeigt nicht nur ein weiteres Mal die Belesenheit von Steve Harris, sondern ist mit seinen satten 13 Minuten auch noch eines der längsten Stücke der Jungfrauen.
Beruhigte, fast psychedelisch anmutende Passagen, die sich mit genial durchstrukturierten, hymnenartigen Schwermetallmomenten abwechseln – es ist eine Vorschau auf das, was Maiden in Zukunft immer häufiger verfolgen werden. Im Zentrum der Platte stehen aber wie gehabt knackige Headbanger: ‘Aces High’ fällt dabei als Erstes auf. Die bis dato beste musikalische Umsetzung der Luftschlacht um England dient als wuchtiger Opener. Aber auch die unverzichtbare Live-Nummer ‘2 Minutes To Midnight’, die sich mit ihrer Kalter Krieg-Thematik eher an damals aktuellen Ereignissen orientiert und den Mitsing-Refrain der Band schlechthin liefert. Und nicht zuletzt natürlich der orientalisch angehauchte Titel-Song.
Ironischerweise dreht sich dieser nicht nur – wie Melodie und Artwork vermuten lassen – um das alte Ägypten, sondern auch die Unausweichlichkeit des Todes und den Größenwahn von Rock-Bands. Das Ägypten-Thema wurde allerdings nicht nur auf der Platte aufgegriffen. Während der über ein Jahr währenden „World Slavery“-Tour stehen Bruce, Steve und Co. vor einer phänomenalen, irre aufwändigen Pyramidenattrappe. Diese können sie für den historischen Tourneeabschnitt hinter dem Eisernen Vorhang leider nicht ganz aufbauen – dafür sind die Sowjet-Hallen einfach nicht stabil genug. (Simon Ludwig)
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Type O Negative BLOODY KISSES (1993)
Wer 1993 wie gewohnt zu späterer Stunde sein Musikfernsehen einschaltet, wird mit dem künftigen Düster-Hit ‘Black No. 1 (Little Miss Scare-All)’ nach britischen Vorreitern wie Paradise Lost oder My Dying Bride Zeuge einer der wohl wichtigsten Videovisitenkarten des amerikanischen Gothic Metal. Vom schicken Schwarz-Weiß-Clip bleibt das Bild des langhaarigen Hünen und Baritons namens Peter Steele, der sich einen Kontrabass (!) wie eine Bassgitarre umgeschwungen hat, genauso unvergessen wie die Verweise auf die Sechziger-US-Sitcoms ‘The Munsters’ und ‘The Addams Family’ oder eben auch F.W. Murnau.
Ihre Thrash- und Hardcore-Wurzeln (Steele war zuvor Teil der Crossover-Truppe Carnivore) hat die Band aus Brooklyn auf ihrem dritten Werk zugunsten eines gefälligen Grusel-Sounds weitgehend hinter sich gelassen. Stattdessen paaren der fleischgewordene Tieftöner Steele und seine Jungs erfolgreich schwarzen Humor mit Horrorelementen und kokettieren dazu mit religiösen Provokationen wie etwa in ‘Christian Woman’ nachhörbar, dem zweiten großen Erfolgs-Song des von Steele und Keyboarder Josh Silver produzierten Durchbruchalbums.
Nahezu die gesamte mögliche 74-Minuten-CD-Spiellänge mit atmosphärischen Zwischenspielen und Sound-Effekten ausnutzend sowie das Klangbild um Sitar, Langhalslaute und diverse Chöre erweitert, gibt es neben erwähnten und anderen Doom-Pop-Perlen noch kontrastierende Hardcore-/Punk-Rückbezüge wie ‘Kill All The White People’ oder die sich partiell der melodischen Mechanismen der mächtigen Misfits bedienende Misanthropenhymne ‘We Hate Everyone’, ein krudes Cover der Siebziger Soft-Rocker Seals And Crofts (‘Summer Breeze’) sowie Gitarrist Kenny Hickeys behändes Akustikgitarrenfingerspiel zu bewundern. (Frank Thiessies)
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Queensrÿche OPERATION: MINDCRIME (1988)
Auf dem Höhepunkt ihrer Schaffenskraft veröffentlichen Queensrÿche im Mai 1988 einen Konzeptklassiker, der Geschichte schreibt: OPERATION: MINDCRIME erweist sich als Höhepunkt und Glanzlicht in den Annalen der Rock-Musik, eine inhaltlich und musikalisch mit THE WALL (Pink Floyd) oder MISPLACED CHILDHOOD (Marillion) verwandte Jahrhundertscheibe, gleichzeitig aber auch prog-metallischer Gegenentwurf zu weniger spröden Werken wie LAMB LIES DOWN ON BROADWAY (Genesis), 2112 (Rush), TOMMY (The Who) oder PICTURES AT AN EXHIBITION (Emerson, Lake & Palmer).
Was macht OPERATION: MINDCRIME zu solch einem außergewöhnlichen Opus? Es sind vor allem die grandiosen Songs, aus denen nicht nur der hymnische Titel-Track und das furiose Finale mit ‘Breaking The Silence’, dem Grammy-nominierten ‘I Don’t Believe In Love’ sowie ‘Eyes Of A Stranger’ herausragen, sondern auch die atmosphärischen Intros, Instrumental-Parts und kurzen Einspielungen, die Gänsehaut verursachen. Nicht minder packend entwickelt sich die geheimnisvolle Story um den ehemals drogenkranken Politaktivisten Nikki, dessen mentale Abhängigkeit vom zwielichtigen Dr. X und der Liebe zur Prostituierten Mary. Es geht um Hirnwäsche, seelische Manipulation, Demagogie und Populismus, und am Ende um Mord, Selbstmord sowie pathologische Auszehrung.
Für den in Noten gekleideten Psycho-Exkurs ist Frontmann Geoff Tate die Idealbesetzung. Sein melancholischer Gesangsstil, der Tiefgang seiner Melodien und seine soziodramatische Stimme passen perfekt zur Grundstimmung dieses Metal-Klassikers. Zudem verfügen Queensrÿche mit Tate und Gitarrist Chris DeGarmo über ein perfekt harmonierendes Songwriter-Gespann, das mit dem folgenden EMPIRE (1990) brillant nachlegen kann, leider aber nach HEAR IN THE NOW FRONTIER (1997) auseinanderfällt. (Matthias Mineur)
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Black Sabbath HEAVEN AND HELL (1980)
1980 ist Ozzy Osbourne endgültig raus bei Black Sabbath. Zu viel Ärger, zu viel Exzess, zu viel Drogen. Für ihn kommt Ronnie James Dio zu der schwächelnden Band, deren beste Zeiten bereits vorbei zu sein scheinen. Doch dann passiert das Unglaubliche: Der Wundersänger und das einstige Heavy Metal-Flaggschiff schwingen sich mit ihrem ersten gemeinsamen Album zu einer Größe auf, die an ihre absoluten Höhepunkte in den Siebzigern heranreicht. Nachdem die Band bereits monatelang mit Osbourne vergeblich an neuen Stücken gefriemelt hatte, entsteht in Miami und Paris die erfolgreichste Sabbath-Platte seit SABOTAGE – und läutet einen zweiten Frühling ein.
Die Addition von Dio in die unheiligen Reihen des Sabbats hat allerdings auch eine drastische Transformation des Sounds zur Folge: HEAVEN AND HELL klingt eher wie das Album einer neuen Band von Tony Iommi und Ronnie James Dio und nicht unbedingt nach einem klassischen Werk aus dem Kanon. Das hat einerseits mit Dios Gesangsstil zu tun, der sich merklich von Ozzys „Ich singe einfach das Riff mit“ abhebt, und andererseits mit einem Klangbild, das die bluesigen Wurzeln zugunsten eines fast schon NWOBHM-artigen Ansatzes vernachlässigt. Trotz des Erfolgs bleibt Dio nur noch für die nächste Platte und wird dann von Deep Purple-Stimme Ian Gillan ersetzt. Zumindest für ein Album. Die Berg- und Talfahrt bei Sabbath geht weiter. Aber HEAVEN AND HELL steht in den ewigen Annalen der Sabbath-Historie unverändert weit oben.
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Rage Against The Machine RAGE AGAINST THE MACHINE (1992)
Bei manchen Alben gibt es ein „Davor“ und ein „Danach“. RAGE AGAINST THE MACHINE gehört ganz oben in diese Liste. Grunge ist 1992 in aller Munde – ein Genre, das den Punk mit Sabbath-Schwere und Melvins-Krach in eine desillusionierte, abgekämpfte, psychotische neue Form gegossen hat. Das, was vier junge US-Amerikaner mit verschiedenen kulturellen Hintergründen abfeuern, klingt allerdings ganz anders als das Seattle-Ding. Hier ist Wut spürbar, wird Frustration greifbar, klingt so viel Aggression in jedem Wort, in jedem Riff, in jedem Beat durch, dass die Rock-Welt nicht recht weiß, wie ihr geschieht. Das erste Studioalbum von Rage Against The Machine ist ein Manifest, geboren aus tiefster Verbitterung, eine Abrechnung mit dem System, mit Rassismus, mit Polizeigewalt. Das ist in Sachen Attitüde eher der Rap von Public Enemy oder N.W.A. Es ist auch keine weiße Rock-Band, sondern eine Gang, in der mexikanische und afrikanische Wurzeln verankert sind.
Allein das mächtige ‘Killing In The Name’ ist ein Brandbrief an Großkonzerne und korrupte Politik, das gesamte Album vom Opener ‘Bombtrack’ bis zum abgründigen Closer ‘Freedom’ eine Bestandsaufnahme des gescheiterten amerikanischen Traums. Geboren im Widerschein eines brennenden Los Angeles während der Unruhen von 1992 ist das komplette Album ein Flächenbrand: Von der schroffen Produktion über Zach de la Rochas besorgniserregende Vokalmalträtierung und Tom Morellos schwelendem Gitarrenspiel bis zur Selbstentzündung des vietnamesischen Mönchs Thích Quảng Đức auf dem legendären Artwork, das auf ein Foto von 1963 zurückgeht. Der Einfluss von RAGE AGAINST THE MACHINE ist so groß, dass er praktisch nicht messbar ist. Ohne dieses Album, so viel steht fest, hätten Crossover und Nu Metal sehr anders geklungen.