Lässt man die Scheibe rotieren, traut man Martin McCoy und seinen Mitstreitern so ein dünnes Nervenkostüm gar nicht zu: dreckiger Rotzrock trifft auf modernen, groovenden Metal und punktet mit enormem Abwechslungsreichtum und zwingende Melodien. So was kommt nicht alle Tage aus den Staaten, wo momentan austauschbarer Brüll-Core an der Tagesordnung ist. TALES FROM DIRT TOWN atmet dafür hörbar den Dreck der amerikanischen Straßen.
„Auf Tour kamen wir früher oft durch eine Menge dieser armen Kleinstädte ohne Arbeit, ohne Abwechslung, ohne Wal-Mart“, beschreibt Martin die triste Seite seiner US-Heimat und die so genannten „Dirt Towns“. Eine davon ist die Bobaflex-Heimatstadt mit dem sarkastischen Namen Point Pleasant, West Virginia.
Point Pleasant? Irgendwo hat man diesen Namen doch schon einmal gehört. „Klar, es ist die Heimat des Mottenmannes!“ – den man spätestens seit dem Film The Mothman Prophecies mit Richard Gere auch hierzulande kennt. Das geflügelte Wesen wurde in den Sechzigern angeblich mehrmals in Point Pleasant gesichtet und noch heute steht dort seine Statue. „Das alles ist wirklich passiert. Die Leute hier reden nicht gerne darüber, aber es geschahen eine Menge seltsamer Dinge hier: Das Grundwasser ist verstrahlt, Männer in Schwarz wurden gesehen. Der Film ist okay, aber das Buch ist wirklich gut und viel detaillierter.“
So mysteriös geht es auf TALES FROM DIRT TOWN allerdings nicht zu. Bobaflex berichten statt dessen von ihren ganz eigenen Erfahrungen. „Es geht vor allem darum, auf Tour zu sein, nicht bezahlt zu werden, Alkohol- und Drogenprobleme zu haben. Und um tote Freunde. Als Rock-Band in den USA bist du auf dich allein gestellt und ohne Heimat.“ Trotz aller Trostlosigkeit: Martin McCoy hängt an seiner Heimat und bringt seine Gefühle in dem starken Song ‘Home’ zum Ausdruck [von dem es unten auch das Video zu sehen gibt]. „Als ich klein war, war es ein schöner Ort. Arbeitslosigkeit und Drogen haben die Einwohner aber mittlerweile in Zombies verwandelt.“
Martin konnte dem Teufelskreis entfliehen und mit seiner Band auf Tour gehen. Er fand eine neue Familie. „Wir haben dafür alles geopfert, zwei Jahre lang in einem Wohnwagen gelebt. Mit diesen Leuten, darunter mein Bruder, zusammen zu sein, ist immer noch das Größte“, blickt er auf die bisherige Karriere von Bobaflex zurück. Entsprechend glücklich ist er auch mit dem ausklingende Jahr 2007: „Es war toll, so viel herumzukommen, unter anderem mit Life Of Agony zu spielen, all die positiven Reaktionen zu erhalten, und es dann auch noch auf Platz vier im METAL HAMMER zu schaffen!“
Gern geschehen – wir danken für ein Album voll dreckiger Straßenhymnen.
‚Home‘: