In unserem Roundtable-Titel-Interview mit Hansi Kürsch (Blind Guardian) und Wolf Hoffmann (Accept) kam unter anderem die Liebe zu klassischer Musik als Thema auf. Man kann natürlich gerne Klassik hören, aber wie man als Heavy Metal-Musiker auf die Idee kommt, diese beiden Welten zu verbinden, erklären die beiden Frontmänner ganz unterschiedlich.
Wolf Hoffmann: „Mein Vater hatte mit Rock’n’Roll nichts am Hut und hörte nur Klassik. So kam ich als Kind damit in Berührung, es lief oft im Hintergrund. Als Teenager sperrte ich mich dagegen und gründete stattdessen eine Band. Irgendwann hat es mich doch berührt und interessiert: Beethoven, Tschaikowski… Ich entdeckte, dass jede Menge Kraft in Klassik steckt, die mit ihren Mitteln nichts anderes macht als wir. Ich träumte immer davon, beides zu verbinden. Damals hat das kein Mensch gemacht. Als Einzige versuchten es Deep Purple. Das fand ich interessant, aber nicht so gelungen. Bei unserer eigenen Musik gab es mit METAL HEART erste zaghafte Tendenzen: Wir spielten eine angedeutete klassische Melodie auf der Gitarre – nicht so wie Blind Guardian heute oder ich auf meinem Soloalbum, wo sich bewusst damit auseinandergesetzt wird.“
Hansi Kürsch: „Bei uns war es der Pioniergeist, inspiriert von Rock-Opern wie JESUS CHRIST SUPERSTAR oder TOMMY (Konzeptalbum und Rock-Oper von The Who – Anm.d.A.) – wo eigentlich nichts Klassisches drauf ist. Bei Deep Purple fand ich den Versuch interessant – ich sehe es aber ähnlich, die Musik ist unspektakulär. Auch Queens klassische Anleihen inspirierten uns und verleiteten uns dazu, es extremer zu betreiben. Somit entwickelte sich ein Faible, das sich irgendwann in unserem Orchesterprojekt widerspiegeln wird. Die Ansätze entwickelten auch bei uns zaghaft und wurden von Album zu Album stärker; jetzt ist es ein Stilelement. André kommt aus einem Jazz-Haushalt und ich aus einem, in dem Musik keine Rolle spielte. Ich bin Klassik-affin, aber mein Herz gehört der Rock-Musik. Als Privathörer bin ich hinsichtlich Tschaikowski bei dir, Wolf. Und ich mag verspielte Leute wie Grieg…“
Wolf Hoffmann: „Grieg ist super! Den haben wir schon oft eingebaut, das lässt sich gut umsetzen! Manches geht besser – an Beethoven kann man verzweifeln, weil es so komplex ist. Anderes lässt sich einfacher reduzieren. Grieg gehört dazu, Mozart witzigerweise auch. Das lässt sich gut übertragen.“
Hansi Kürsch: „Mozart ist sehr verspielt – zwar komplex, aber mit einer Leichtigkeit, die man übernehmen kann. Für mich persönlich ist Wagner in der Metal-Szene überbewertet, mich erreicht er gar nicht. So etwas wie ‘Walkürenritt’ ist wunderbar, aber klassische Geschichten mit viel Operngesang sind nicht meins.“