Kurz vor 20 Uhr versammeln sich bereits eine Handvoll Metaller vor dem Wiener Escape Metalcorner, die per Aushang informiert werden, dass aufgrund einer verspäteten Anreise einiger Bands die Running Order gedreht wird und Obscura nun schon als Zweite ranmüssen. Passend zum heutigen Motto und mit einem nicht minder passenden Augenzwinkern werden außerdem Flyer zur derzeit in Wien für allgemeine Aufregung sorgenden Pro-Atheismus-Kampagne verteilt. Eines steht also schon fest: Weder der genretypische Luzifer noch seine bessere Hälfte sind heute Zielgruppe Nummer Eins.
Schlag 20:30 Uhr ist es allerdings Schluss mit lustig, denn die österreichischen Death/Grind Mathematiker von Reanima (bereits Demo des Monats im METAL HAMMER) starten mit „Panta Rei“ in ihr Abendprogramm. Die beiden Frontsäue Markus und Harald grunzen, schreien und gurgeln sich die Stimmbänder blutig. Die Hintermannschaft deckt den Beiden mit präziser Instrumentenbeherrschung den Rücken. Geschickt werden vertrackte high-speed Rhythmen mit handelsunüblichen Breakdowns kombiniert.
Schon nach kurzer Bierhol- und Pinkelpause sind Obscura dran. Mit dem viel gelobten aktuellen Album COSMOGENESIS im Gepäck liegt die Erwartungshaltung entsprechend hoch, was man auch an der ständig wachsenden Besucherzahl deutlich merkt. Der Thermometerstand wird heikel und die Luft ist zum schneiden. Mit „Anticosmic Overload“ geht es gleich hitverdächtig los. Die Stimmung ist großartig, dem kann auch der miserable Sound keinen Abbruch tun. Die Bayern, die die logische Weiterentwicklung des progressiven Death Metals so gekonnt aufs Album brachten, schaffen es leider nicht ganz, diese Klinge auch live zu schwingen. Zu sehr gehen die unglaublich augefeilten zweistimmigen Gitarren-Parts im Sound-Brei unter. Die Band ist allerdings gut gelaunt und die Fans bedanken sich mit einem Teufelshörner-Meer.
Gnostic, die aus 3/5tel der Atheist-Musiker bestehen, schnüren als nächste ihre Turnschuhe. Mit knackigem Sound und einer ordentlichen Portion Wut im Bauch wird „Violent Calm“ als Opener in den Menge geschleudert. Dicht gefolgt von „Visceral” und “Composition” kredenzt die Kapelle unmenschliche Gitarrenläufe, gerade noch ortbare Drumfills und einem Sänger (Kevin Freeman), der schier um sein Leben schreit. Gnostic kommen live noch einige Etagen wuchtiger zur Geltung als auf dem vor kurzem erschienen Erstlingswerk ENGINEERING THE RULE. Da drei der Herrschaften gleich noch einmal zum Handkuss kommen, ist nach 30 Minuten Schicht. Die Band wird noch Minuten nach der Show mit Sprechchören gefeiert und posiert noch geduldig und sichtlich erfreut für Fotos mit den Fans.
Nach einem etwas längeren Break verändert sich das Bühnenbild nur marginal. „Lediglich“ die Posten des Fronters und Bassisten werden getauscht. Mit den Einwechselspielern Kelly Shaefer (Gesang.) und Tony Choy (Bass) geht es mit Atheist in die Verlängerung. Der Anpfiff erfolgt mit „Unquestionable Presence“. Shaefer ist von Anfang an bemüht das Publikum einzubinden, doch die Singalong-Versuche scheitern. Die Death Metal Ikone aus Florida wirkt mit blauem Bandana und hautengen Jeans bewaffnet wie frisch aus den 80ern importiert. Die Zeit scheint aber nicht spurlos an ihm vorübergegangen zu sein, denn stimmlich trifft er die höheren Lagen nur teilweise. Natürlich sind und bleiben Atheist Vorreiter wenn es um innovativen und progressiven Death Metal geht, doch die Glanzzeiten scheinen definitiv vorüber zu sein. Das zum Bersten volle Escape feiert dennoch Hits wie „On The Slay“ oder „Unholy War“ frenetisch ab.
Mit „And The Psychic Saw“ und „Piece Of Time“ geht ein lauter und schweißtreibender Metal-Abend zu Ende. Mit einem klaren Sieg nach Punkten gehen heute zweifelsfrei Gnostic vom Platz, die ihre unerwartete Co-Headliner Position für weitere Fan-Akquirierung fulminant nutzen konnten.
Thomas „Tompte“ Panzenböck
Setlist Atheist:
Unquestionable Presence
On They Slay
Mineral
Unholy War
Retribution
Air
An Incarnations Dream
Mother Man
And The Psychic Saw
Piece Of Time
Setlist Gnostic:
Violent Calm
Visceral
Composition
Sleeping Ground
Isolate Gravity
Wall Of Lies
Setlist – Obscura
Anticosmic Overload
Choir Of Spirits
Incarnated
Universe Momentum
Desolate Spheres
Centric Flow
Setlist Reanima:
Panta Rei
Concrete
Multiple Choice
The Red One
Gold Acrimonois Hellhound
Slaughtered