At The Gates: Fördern durch Fordern

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Sänger und Sprachrohr Tomas „Tompa“ Lindberg Redant meldet sich via Zoom zu Wort. „At The Gates sollte nie unser Haupteinkommen sein, sonst hätten wir womöglich unterbewusst angefangen, Musik zu schreiben, die mehr Platten verkauft. Darum geht es uns aber nicht.“ Genau diese Einstellung prägt das Schaffen des 1990 formierten Quintetts, das (nach langer Auszeit) seit 2014 wieder Musik veröffentlicht. Auf dem neuen Album treten die kompromisslos umgesetzten eigenwilligen Ansätze besonders stark zutage. THE NIGHTMARE OF BEING (VÖ: 2.7.2021) wartet erneut mit einem Konzept auf, das die musikalische Gestaltung mitbedingte.

Als Katalysator wirkte aber auch die Rolle Lindberg Redants als Kurator beim Roadburn Festival 2019 („Ich habe es geliebt, doch es ist gut, dass man das nur einmal macht...“). Für ihren Auftritt dort stellten At The Gates ein besonderes Konzert mit Coversongs von King Crimson, Philipp Glass und Trouble sowie Gästen wie Anna von Hausswolff, Matt Pike und Rob Miller auf die Beine. „Der Auftritt war eine echte Herausforderung“, lacht der Künstler. „Wir versuchten, all die unterschiedlichen Seiten von At The Gates zu porträtieren. Dabei bemerkten wir, dass auf unserer musikalischen Palette noch mehr ist und unsere Fans offenbar Verständnis dafür aufbringen – sogar für das Eklektische.

Experimenteller Durchbruch

Das verlieh uns Inspiration für das neue Album. Wir waren in unseren frühen Tagen schon experimentell, doch nun haben wir jugendliche Hingabe und Ambitionen gegen Erfahrung getauscht, sodass wir uns voll und ganz in diese Ideen stürzen konnten.“ Wer nun befürchtet, At The Gates hätten sich vom Death Metal gelöst, sei beruhigt: Das Gros des Albums wütet wunderbar brachialmelodisch, die Schweden akzentuieren ihren Klang lediglich mit einigen Details. Violine, Cello und Orchestrales gehen als bekannt durch, Saxofon und progressive Anklänge überraschen hingegen. „Darauf werden die Leute zuerst reagieren“, lacht Lindberg Redant, dem ein großes, forderndes Werk vorschwebte.

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„Das Album mag beim ersten oder zweiten Hören schockieren. Doch danach wird es wachsen, alles fügt sich natürlich zusammen und man spürt, dass man weiterhin auf dem Planeten At The Gates weilt.“ Die experimentellen Tendenzen waren in der Band bereits eine Weile präsent und fanden ganz natürlich Eingang in ihren Klang. „Jonas (Björler; Hauptkomponist – Anm.d.A.) hatte viele Ideen, die er längst umsetzen wollte. Wir mussten nur noch den richtigen Dreh finden, damit diese Elemente ins Konzept und zu unserem Sound passen würden.“ Zwar begeistern sich dem Interviewten zufolge die meisten Band-Mitglieder für progressive Musik, doch am stärksten trifft dies auf den 2017 dazugestoßenen Jonas Stålhammar zu – ­Björler komponierte einige Passagen explizit für den „Neuen“.

Schlüssig im At The Gates-Kontext

Selbiger fügte sich im Übrigen harmonisch ins Gefüge ein, berichtet der Vokalist. „Wenn man in eine lang aktive Band kommt, dauert es eine Zeit, bis man beim Komponieren den eigenen Ton findet. Doch er ist definitiv da – wir reden die ganze Zeit über Musik. Jeder trägt auf die ein oder andere Weise dazu bei. Jonas ist so alt wie wir, doch er bringt eine Art jugendlichen Enthusiasmus mit.“ Obgleich THE NIGHTMARE OF BEING (phasenweise) weniger aggressiv und dunkler klingen mag als sein Vorgänger, wirkt das Werk in sich schlüssig sowie im Band-Kontext stimmig – und wächst in der Tat in ungeahnte Dimensionen.

Da die Schweden selbst diverse Musik mögen, kommen auch Fans traditionellerer (Death wie Heavy) Metal-Klänge auf ihre Kosten. Lindberg Redant erwartet die stärksten Reaktionen auf die ungewohnten Passagen. Doch er betont – angesprochen auf einige an Maiden erinnernde Gitarrenmelodien – die Klangvielfalt der Platte. „Wir haben darauf unsere Liebe zur New Wave Of British Heavy Metal stärker ausgedrückt als zuvor. Ebenso finden sich Einflüsse von Old School-Death Metal – einfach alles, was uns definiert und unserem Geschmack entspricht.“

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