Architects sind wie Wölfe im Schafspelz: Immer ein Grinsen auf den Lippen und frisiert wie Schwiegermutters Liebling. In ihrer Musik zerreißen sie jedoch all das, was falsch ist auf der Welt. ALL OUR GODS HAVE ABANDONED US ist das nächste Level Weltschmerz, erzählen Songwriter Tom Searle und Sänger Sam Carter mit lachenden Gesichtern.
Dieses Interview findet ihr in der Juni-Ausgabe des METAL HAMMER.
Architects waren noch nie leichte Kost. Das fing 2006 mit ihrem wüsten Mathcore auf NIGHTMARES an, und wurde über fünf weitere Scheiben dank sphärischer Synthesizer-Flächen zu einem alles zermürbenden Endzeitkino heraufbeschworen. Dass ihr siebtes Album ALL OUR GODS HAVE ABANDONED US aber noch mal eine Schippe drauflegt und bitterernste bis depressive Song-Titel wie ‘Deathwish’, ‘Downfall’ oder ‘All Love Is Lost’ präsentiert, darüber lachen Gitarrist und Songwriter Tom Searle und Sänger Sam Carter herzhaft. „Ziemlich trist, oder?“, kichert Tom. „Ansichtssache“, lenkt Sam ein. „Aus meiner Sicht geht es darum, im Moment zu leben und dankbar für das zu sein, was man hat.“ Weil die Welt ein echter Schweinehund sein kann, wird Sam aufgeregt beim Gedanken an die jüngsten Terroranschläge:
„Wir leben in einer gottlosen Welt, in der unser Glauben so verschieden und falsch sein kann. Menschen verehren heutzutage Kim Kardashian. Wir greifen Gott nicht an, aber reden in ‘Broken Cross’ über religiösen Fundamentalismus. Was für ein Schock: Leute, die in den Urlaub fliegen wollen, verlieren Familienmitglieder, weil jemand denkt, sein Gott wäre wichtiger als der von anderen.“ Ihren Pessimismus entlassen Architects in Zeilen wie „watch the world burn“ oder „nothing is sacred“. Ist es ein schwarzseherisches oder nihilistisches Album? „Beides zum Teil. Wir verstecken unsere Gedanken nicht: Die Welt ist an einem dunklen Ort. Das Album handelt davon, wie sehr unsere Bestimmung verblasst ist: Liebe, Leben, dafür sind wir hier. Stattdessen herrschen nun Geld, Gier und Macht.“
Frohe Botschaften in hasserfüllten Texten, darum geht’s den Burschen aus Brighton: „Zuerst schreiben wir die Musik. Dann können die Texte ja wohl kaum davon handeln, wie du mit deiner Freundin Eiscreme isst. Lass es noch eine fiktionale sein, das wäre peinlich. Dann würden die Leute sagen, wir wären falsch. ‘Ihr habt doch nicht mal eine Freundin oder Eiscreme!‘“, scherzt Searle, trifft allerdings den Nagel auf den Kopf. Ein besseres Beispiel findet er hier: „‘Downfall’ ist wirklich positiv gemeint. Es handelt davon, wie desillusioniert wir von unserer konservativen Regierung sind, aber es geht ja um den Untergang dieser – BANG! Positiv.“
Um ihren politischen, wirtschaftlichen und ökologischen Frust zu unterstreichen, schraubt Sam auf ALL OUR GODS HAVE ABANDONED US seinen Klargesang massiv zurück und stellt das Gekeife in den Vordergrund. „Viele Bands denken, Gesang müsste unbedingt rein. Wir entscheiden Song für Song, wollen das aber nicht forcieren, sondern natürlich entstehen lassen.“ Weil Architects auf Formeln verzichten. Dabei haben die Briten alle handwerklichen Kniffe raus, um locker den nächsten Pop-Hit im Metal aus dem Ärmel zu schütteln. Alle Angst scheint jedoch unbegründet beim neuen Material:
„Ich bin besorgt, dass wir das tun könnten“, lacht Tom über mögliche Pop-Ambitionen. „Vor jedem Album sage ich immer zu Sam: ,Das nächste wird einfach nur noch heftig.‘ Es gibt viele Metal-Bands, die ab einer gewissen Größe überlegen, wohin es gehen kann. Das ist auch fair, jede Band kann tun, was sie will. Wir machen seit zehn Jahren heftige Musik, aber ich will, dass wir die Meister im Schreiben harter Musik sind. Ich will verdammt gut darin sein! Ich respektiere die richtig fiesen Bands wie Meshuggah oder Behemoth – ich weiß, all deren Fans denken, wir wären nur eine Boyband; das ist okay. Aber diese Gruppen bewundere ich, sie sind Meister ihres Handwerks. Nur, weil wir nicht wie super Metalheads aussehen, heißt das doch nicht, dass wir keine harte Musik schreiben können“, wird Tom ernst.
Nur: Auf dem Weg zur musikalischen Meisterklasse stehen immer Hürden. Mit jedem Album wird nämlich die Marketing-Maschinerie ins Rollen gebracht. Videoshoots, Promofotos, Interview-Marathons – Arbeit ohne Ende. So erfahrungsreich das alles auch immer ist, hält es Musiker im Prinzip von dem ab, was sie am besten können, schließt Tom Searle mit weisen Worten: „Ich will ordentlich repräsentiert werden; schickes Artwork, gute Videos – aber all diese Promokampagnen machen mich so müde. Nicht, weil ich Madonna wäre und sage: ‘Niemand soll mit mir reden.‘ Sondern, weil die Musik den Leuten besser klarmachen kann, was wir sagen wollen, als wenn wir darüber reden. Es gibt genug Bands, die sich fantasievoll in Magazinen kostümieren können und sehr gut darin sind. Aber schau uns an, wir sind einfach normale Typen. Wenn also die Promotion ansteht, fragen wir: ‘Können wir nicht einfach die Musik veröffentlichen und die Leute zuhören lassen?‘“
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Das Interview mit Architects lest ihr in der Juni-Ausgabe des METAL HAMMER! Das Heft kann einzeln und innerhalb von Deutschland für 6,90 Euro (inkl. Porto) per Post bestellt werden. Einfach eine Mail mit dem Betreff „Einzelheft Metal Hammer 06/16“ und eurer Adresse an einzelheft@metal-hammer.de schicken.