Sonntag, 15.8.2021
Der Alcatraz-Sonntag beginnt mit Raven auf der Prison Stage, und die Briten liefern wie erwartet deftig ab. Man sieht den beiden Gallagher Brüdern die Spielfreude direkt an, auch wenn sie bereits seit 1974 die Bühnen bespielen. Mit ‘Take Control’, ‘Fire Power’ oder ‘Wipe Out’ regiert die NWOBHM auf dem Alcatraz, und die Menge hat sichtlich Spaß. Ein bisschen heftiger geht es anschließend bei Asphyx weiter. Bei ‘The Nameless Elite’ und ‘Death The Brutal Way’ läuft die Band schnell auf hundert Prozent Death Metal-Leistung und sorgt für viele kreisende Köpfe. ‘Botox Implosion’ und der Klassiker ‘The Rack’ sorgen zum Ende für einen ausufernden Moshpit mit allem, was das Metallerherz begehrt.
Genre-Wechsel dann wieder auf der Hauptbühne: Die Rock-Band Eclipse aus Schweden sorgt mit ihrer Musik für positive Vibes auf dem Infield. Die übermotivierten Schweden haben mit ihrem eingängigen Rock leichtes Spiel beim Publikum und können mit ihrer positiven Stimmung direkt überzeugen. Wem die Musik zu fröhlich ist, der kann sich auch die Walking Acts anschauen oder direkt zu den Landsleuten Marduk ins Zelt gehen. Dort zerstören die Schweden gekonnt das Publikum und fauchen mit finsteren Stimmen ihre schwarzen Melodien herbei. Das ist natürlich alles nichts gegen eine BeNeLux-Frikandel, denn diese ist danach richtig pervers.
Betrunkene Einhörner
Zutaten für die Frikandel gibt es im Moshpit von Jinjer. Die Ukrainer gehören zu den Aufsteigern der letzten Jahre. Die Band kann auch heute wieder mit einer explosiven Show und dem wechselhaften Gesang von Sängerin Tatiana Shmailyuk punkten. Die Wall Of Death bewegt sich nach dem Klang der Stimme, und Jinjer legen mit ‘On The Top’, ‘Ape’ oder ‘Teacher, Teacher‘ einen massiven Abriss hin.
Jetzt schnell zu den kurzfristig eingesprungenen Freedom Call. Die Masters of Happy Posing starten mit ‘Union Of The Strong’ in den Abend und haben sichtbar Spaß an dem Auftritt. Das Grinsen geht gar nicht mehr aus den Gesichtern heraus. Die Fröhlichkeit der Band steckt schnell an, und es kommt einem so vor, es würden betrunkene Einhörner über die Bühne hüpfen. Aber weiter geht’s mit ‘Tears Of Babylon’, ‘M.E.T.A.L.’ und ‘Metal Is For Everyone’. Das Publikum sieht auf jeden Fall sehr glücklich mit dem Material aus.
Beste Vorbereitungen für Doro auf der Hauptbühne: Die ewige Ikone des Metal darf auf diesem Event natürlich nicht fehlen und legt mit einem grandiosen Start los. ‘I Rule The Ruins’ und ‘Burning Witches’ reichen bereits aus, um das Alcatraz-Publikum in der Hand zu haben. Das volle Infield feiert jeden Hit ab, als würde es kein Morgen mehr geben. Mit ‘Fight For Rock’, ‘Raise Your Fist In The Air’, ‘All For Metal’ oder ‘All We Are’ im Gepäck ist dies auch ein leichtes Unterfangen. Doro beschwört wieder gekonnt die Einigkeit der Szene.
Grenzerfahrung
Der letzte Auftritt von Eluveitie war im Dezember 2019, seitdem war es still um die Band im Live-Bereich. Dass die Band heute Abend solch einen Abriss veranstalten wird, hatte wahrscheinlich keiner erwartet. Mit ‘Ategnatos’ gelingt der Einstieg schnell, und die Spielfreude der Band ist als brutal zu bezeichnen – einzig der starke Wind verweht manch eine gute Melodie. Dies tut der Sound-Wand im vorderen Bereich aber kein Abbruch, und so kann die sehr gut zusammengesetzte Song-Auswahl ihre Wucht entfalten. Insbesondere die neuen Stücke ‘Ambiramus’ oder ‘Call Of The Mountains’ sorgen mit dem Gesang von Michalina Malisz für einen guten Mix in der Setlist und weitere Nuancen im Sound. Mit ‘Rebirth’ und ‘Inis Mona’ beschließt die Band ihr erstes Konzert seit langer Zeit und hinterlässt staunende Gesichter.
Amenra sorgen anschließend im berstend vollen Zelt für die nötige musikalische Grenzerfahrung. Die Band hat in Kortrijk quasi Heimspiel und startet mit einem starken ‘The Pain. It Is Shapeless. We Are Your Shapeless Pain’. Für die Musik muss man aber tatsächlich gemacht sein. Die Performance ist zwar stark und heftig, dennoch tatsächlich auch recht speziell und nicht unbedingt jedermanns Sache.
Denkwürdige Konzerte beim Alcatraz Festival
Zudem bitten kurze Zeit später Kreator zum Thrash Metal-Tanz im Moshpit. Mit ‘Violent Revolution’, einer fetten Bühnen-Show im Rücken und einer Menge Hass meldet sich die Band brachial zurück. Wenn uns Mille ‘Phobia’ um die Ohren schreit, ist die Hoffnung in diesem Land noch nicht verloren. Für Kreator ist es das zweite Konzert nach dem Bloodstock einen Tag zuvor, und so proklamieren sie an diesem Abend gleich die Rückkehr der Live-Konzerte. ‘Hail To The Hordes’ ist ein perfekter Motivations-Kick für den Moshpit, der sich durchgehend dreht, und auch ‘666 – World Divided‘ drückt mächtig ins Gesicht.
Das Konzert konzentriert sich ansonsten auf die Kern-Hits der letzten Alben. ‘Phantom Antichrist’, ‘Enemy Of God’, ‘Satan Is Real’ oder auch ‘Flag Of Hate’ sorgen für einen gewaltigen Abriss auf der Bühne. Die Hymne ‘Fallen Brother’ leitet auch schon wieder das Ende ein. Kreator legen noch ‘Pleasure To Kill’ nach und fackeln dabei die komplette Bühne ab.
Danach folgt noch ein kurzes Feuerwerk, und das Alcatraz 2021 ist Geschichte. Als eines der wenigen größeren Festivals 2021 wird es wahrscheinlich auch in die Hallen der Metal-Götter eingehen und jedem Besucher deutlich in Erinnerung bleiben. Insbesondere die Spielfreude aller Bands war recht unheimlich. Keine Band ist negativ aufgefallen, und alle haben auf der Bühne mehr als hundert Prozent gegeben. Dies sorgte für eine Menge denkwürdiger Konzerte an diesem Wochenende.