Nach dem fast kompletten Ausfall aller größeren Festivals in Europa tut sich auch Deutschland noch immer schwer mit alternativen Konzepten und planbaren Zusagen. Nicht einmal durchdachte Testkonzepte unter anderem vom Summer Breeze wurden von den Behörden bearbeitet oder genehmigt. Das kleine Belgien geht diesbezüglich seit Kurzem einen anderen Weg. Es lässt landesweit wieder Veranstaltungen jeglicher Art nach dem einheitlichen „COVID Safe Ticket“ zu. Hierdurch bekommt man einen 24-Stunden-Zugang zu einem Festival oder einer Veranstaltung durch eine Vorlage der „Drei G“-Dokumente.
Diese werden auf mehrtägigen Veranstaltungen jeden Tag erneuert und geprüft. Hierbei wurde kurz vorher auch noch einmal verschärft, und so durften bei Getesteten nur aktuelle PCR-Tests genutzt werden. Diese müssen auch während des Aufenthalts erneut durchgeführt werden. Danach entfallen auf der Veranstaltung alle Abstands- und Maskenregularien. Jeder Besucher ist sich in Gesprächen dessen voll bewusst, aber im Grunde trifft man dort fast nur geimpfte Besucher.
Unter diesen Vorausetzungen konnte das Alcatraz Festival in Kortrijk innerhalb von sechs, sieben Wochen das Ersatz-Billing für 2021 organisieren und das Festival mehr oder weniger aus dem Boden stampfen. Das Billing war daher auch sehr mitteleuropäisch geprägt und hat sich allein in den letzten Wochen noch einige Male geändert, da einige Bands nicht einreisen konnten oder in Quarantäne mussten. Dies galt auch für etliche Besucher aus Nicht-Schengen-Staaten, die nach der jeweiligen Einstufung nicht oder nur mit Auflagen in Belgien einreisen durften. So sah man auf dem Parkplatz sehr viele Kennzeichen aus Belgien, den Niederlanden, Frankreich und einige aus Deutschland. Insgesamt waren circa 12.000 Gäste pro Tag vor Ort.
Das Wiedererwachen des Metal
Bei der Ankunft in Kortrijk heißt es, sich erst mal für das COVID-Sicherheitsbändchen anzustellen. Dies geht mit dem europäischen Impfzertifikat relativ schnell, und erst nach der Ausgabe darf man sich dem Gelände nähern. Selbiges gilt auch für sämtliche Mitarbeiter und Künstler. Dann noch einmal anstehen für das Park-Ticket, dann kann man sich vom Expo Parkplatz mit den recht fixen Shuttle-Bussen zum Gelände fahren lassen. Danach wieder Anstehen, um ein Bändchen für den separaten Campingplatz zu bekommen, und noch ein zweites Mal für die Festival-Bändchen. Nach der ganzen Ansteh-Arie und dem Zeltaufbau ist man tatsächlich nach vier, fünf Stunden endlich durch und kann gemächlich in das (Nachmittags)-Programm starten. Die ersten sieben Bands sind leider schon durch. Endlich auf dem Alcatraz-Gelände, werden die vorherigen bestellten Gutscheine schnell in Coins umgewandelt (1 Coin = 2,90€), und los geht’s mit der Sause.
Freitag, 13.8.2021
Den Beginn machen Unleash The Archers auf der Prison Stage. Mit einer übermotivierten Truppe und lechzenden Fans startet die Band mit ‘Abyss’ in ihr Set und kann direkt gnadenlos abräumen. Mit glänzender Stimme jagt Sängerin Brittney Songs wie ‘The Awakening’ oder ‘Tonight We Ride’ raus, und die Menge ist glücklich. Die Fröhlichkeit ist übrigens auf dem ganzen Festival bereits spürbar – endlich wieder echte Konzerte, Moshpits, Crowdsurfing und Bier. Suicidal Angels aus Griechenland zerlegen kurze Zeit später mit ihrem Thrash Metal im Swampzelt die Bühne. Mit ‘Endless War’, ‘Front Gate’ oder ‘Capital Of War’ möbelt die Band gekonnt das Publikum auf und sorgt mit seiner Sound-Wand für einen gepflegten Abriss.
Auf der Prison Stage wird es nun Zeit für Stadion Rock. Kissin’ Dynamite sind erst kurz vor dem Festival für Gloryhammer auf das Billing gerutscht, aber das ist kein Problem für die Supermotivatoren. ‘I’ve Got The Fire’ und ‘Love Me, Hate Me’ reichen schon aus, um das Publikum zu überzeugen. The gods of posing feuern das Publikum gekonnt an, und das nagelneue, noch nie gespielte ‘Not The End Of The Road’ sorgt für eine gepflegte Party im Pit.
Nach dem Konzert heißt es erst mal Kraft tanken, und man lernt auch gleich die heimischen Gerichte (Pommes in diversen Formen & Frikandeln) kennen. Die Preise sind im Gegensatz zu Deutschland relativ gewöhnungsbedürftig. So liegen alle Getränke (0,33l) bei 2,90€, Burger um die 7-9€, und selbst die Asia Box ist nicht besonders günstig. Als ausländische Besucher mussten wir natürlich auch gleich BETA anrufen, da eine Bierhaltung in dieser kleinen Größe nicht artgerecht ist.
Dunkler Stahl
Nun treten Moonspell im Zelt auf den Plan. Sänger Fernando hat im Lockdown seine Haare abgeschnitten, doch dies tut der musikalischen Qualität keinen Abbruch. Welch freudige dunkle Melodien wabern durch die Boxen, als die Band hochmotiviert und fröhlich auf die Bühne kommt. Das Set startet mit ‘The Greater Good’, und die Band legt uns eine kleine, feine Auswahl an Songs hin. Mit ‘Opium’, ‘Alma Mater’ und ‘Full Moon Madness’ haben sie das Alcatraz-Publikum im Griff. Aber auch ‘Breathe’ passt perfekt in die Zeit. Fernando bedankt sich regelmäßig überschwänglich und genießt den Auftritt in vollen Zügen. Die Besucher des sehr gut gefüllten Zeltes antworten dementsprechend laut.
Ebenfalls übermotiviert ist nun Tarja auf der Prison Stage. Scheinbar gibt es auf dem Festival einen Posing-Wettbewerb, anders lässt sich das Posing bei fast jeder Band nicht erklären. Tarja überzeugt aber auch gesanglich recht schnell mit ‘Falling Awake’, ‘I Walk Alone’ oder ‘Over The Hills And Far Away’. Als Kontrastprogramm kann auch man aber auch zu Mayhem gehen, die im Zelt ihren Black Metal zelebrieren. Mit ‘To Daimonion’, ‘To Death’ oder ‘Pure Fucking Armageddon’ donnert die Band gekonnt über die Swamp Stage und das anwesende Publikum.
Musikalischer Wechsel dann auf der Alcatraz-Hauptbühne. Co-Headliner sind heute At The Gates. Die Schweden haben uns feinsten Göteborger Stahl mitgebracht, mit ‘Blinded By Fear’, ‘Suicide Nation’, ‘Cold’ oder dem Alltimehit ‘Slaughter Of The Soul’ haben sie das zahlreiche Publikum fest im Griff. Neben einer Armada von Crowdsurfern bricht sich der Circle Pit an der Bühne, und das Alcatraz Festival huldigt den schwedischen Death Metal-Ikonen.
Epische Gefühle
In Holland scheint gerade einiges an Pyrotechnik abzulaufen, anders lässt es sich nicht erklären warum Epica den ganzen Abend damit beschäftigt sind, Aerosole zu verbrennen. Die fette Show bietet massiv etwas für Auge und Ohren. Überall brennt irgendwas ab, und die beiden Schlangen an den Bühnenrändern feuern das ganze Konzert über Sachen in den Himmel. Im Mittelpunkt von all dem: Simone Simons und das neue Material vom OMEGA-Album, das derbe einschlägt und für manche sprachlose Gesichter sorgt. Epica haben sich mit dem Material auf eine neue Stufe gehoben und stellen dies nun auch gekonnt auf der Bühne dar.
Mit ‘Abyss Of Time – Countdown To Singularity’ beginnt das epische Abenteuer und flasht alle Anwesenden direkt weg. ‘Victims Of Contingency’ und ‘Unchain Utopia’ hinterhergeschoben, und die Menge brennt sprichwörtlich. Als zur zur späten Stunde die letzten Klänge von ‘Beyond The Matrix’ und ‘Design Your Universe’ über das Alcatraz wehen, bleibt ein gewisses episches Gefühl bei allen Anwesenden zurück. Wow. Da das Konzertprogramm auf dem Alcatraz bereits um 0:45 endet, bleibt noch genügend Zeit, um den Campground zu durchqueren. Auch etwas, das man sehr vermisst hat, und so hat man noch ausreichend Möglichkeiten, Leute und lokales Bier kennenzulernen.