Wenn man einen Blick in eine der frühen METAL HAMMER-Ausgaben aus den 1980er-Jahren wirft, wird man musikalisch kaum Abwechslung finden – denn als das Genre noch jung war, hieß es eben noch Heavy Metal is the law. Alles, was an härterer Gitarrenmusik auf den Plattenteller kam, wurde schlicht und einfach als Heavy Metal oder Hard Rock betitelt. Das waren noch einfache Zeiten.
In den Neunzigern wurde es kompliziert
Denn über die Jahre wurde das immer komplizierter. Abspaltungen des Mutter-Metal ploppten wie Pilze aus dem Boden. Thrash Metal, Death Metal, Black Metal, die Liste ist ewig. Innerhalb von zehn Jahren METAL HAMMER hat sich einiges getan. Spätestens in den Neunzigern gab es so viele verschiedene Spielarten, die teilweise nicht unterschiedlicher sein könnten, dass einem glatt schwindelig werden konnte – vor allem, was so richtig hartes Zeug betrifft. Und das hat noch nicht einmal etwas mit der irren BPM-Zahl zu tun.
Alles an einem Platz
Wenn es schon so viel brutales Zeug gibt, warum schafft man dann nicht auch gleich einen Ort, an dem dieser ungestört sein Unwesen treiben kann? Und genau da kam der mittlerweile nicht mehr wegzudenkende Vorschlaghammer ins Spiel. Diese Tollwiese für das Fieseste, was der Metal zu bieten hat, erblühte erstmals auf den Seiten der Septemberausgabe von 1998. Ohne große, einleitende Worte war es so weit: Auf Seite 106 – direkt hinter den Tourdaten – ging es los mit der mittlerweile in der Obskurität verschwundenen Band Wicked Angel. Zugegeben, so richtig hart sind die Amerikaner in der Retrospektive nicht. Musikalisch bewegt sich die Kapelle eher in Richtung Groove Metal und hat auf ihrem im Vorschlaghammer vorgestellten Album HEADS WILL ROLL teilweise eher schon fast an Doom oder Power Metal erinnernde Parts. Am brutalsten ist eigentlich der Look des Frontmanns und Ex-Marines Rob Rose.
„Tätowiert bis zur Halskrause, mit irren, unberechenbaren Blicken, einer lauten, röhrenden Stimme und seinem Biker-Outfit, das mit dem Wicked Angel-Logo bedrohlich an das der berüchtigten Hell’s Angels erinnert, bedient er exzellent das Bürgerschreck-Klischee“, beginnt der von Andreas Schöwe verfasste Artikel. Dass der gute Mann trotz der eher mittelharten Musik in den Vorschlaghammer passt, wird aber nicht nur durch sein martialisches Aussehen deutlich, sobald es um seine Vergangenheit in der Army geht:
„Plötzlich wurden wir zum Beispiel als Kindermörder gebrandmarkt“, erklärt der Sänger. „Ich möchte mal wissen, was all diese Arschgeigen, die zu Hause vor ihrem Kamin onanierten und denen nie die Kugeln wie ein Hagelschauer um die Ohren geflogen sind, gemacht hätten, wenn da plötzlich ein sechsjähriger Knirps steht und gerade ’ne Handgranate in ihre Richtung werfen will! Da heißt es doch nur: Du oder ich!“
Neue Wege
Musikalisch härter und zwischenmenschlich gemäßigter wird es anschließend bei den angeschwärzten Pagan-Metallern Primordial, die gerade einen stilistischen Wandel hinlegten: „Wir wollen nicht nur ein paar Riffs aneinanderreihen, sondern vielmehr Musik komponieren, die für sich selbst stehen kann. Reifere Musik“, erklärt die Band im Text. Weg vom Black Metal, hin zum Irish Folk. Oder doch nicht? „Pagan oder Celtic Metal, wie auch immer man es nennen mag, das sind Primordial definitiv nicht“, versichern sie.
Schwarzmetallischer sind definitiv die ebenfalls mit einem neuen Album aufkreuzenden Gehenna. Obwohl sich auch diese 1998 musikalisch ebenfalls etwas umorientierten – denn die Band versuchte, wie sie im Interview erklären, die Gewalt ihrer Texte nun auch musikalisch mehr umzusetzen. Und der beste Weg dafür sei, „es maschinenhafter klingen zu lassen. Rhythmischer, mehr in die Industrialrichtung gehend“. Und so sei ADIMIRON BLACK ihr bisher aggressivstes Album.
Und auch Infernal Mäjesty beschreiten im Vorschlaghammer neue Wege: „Die entscheidenden Einflüsse liegen allerdings in- und außerhalb des Metal-Genres. Nur durch Hinzunahme solcher Quellen kann etwas anderes entstehen“, weiß Kenny Hallman, der Gitarrist der Band.
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