Ich schleiche mich langsam durch das marode Haus. Meine Hände zittern. In der rechten Hand halte ich meine Pistole, die nur noch zwei Kugeln hat. Ich zucke kurz zusammen, als ich ein Geräusch höre. Alles okay, nur ein Ast, der gegen ein Fenster geschlagen hat. Langsam und mit vorsichtigen Schritten gehe ich eine Treppe herunter, die mich in den Keller des Hauses führt. An den Wänden klebt schwarzer Teer, der zu pulsieren scheint. Es ist dunkel und meine Sicht ist eingeschränkt. Eigentlich will ich am liebsten sofort wieder umkehren und zurück in das helle Haus rennen. Doch ich zwinge mich, weiter zu gehen, schließlich habe ich eine wichtige Aufgabe zu erledigen, denn ich bin auf der Suche nach meiner Frau Mia.
Ich gehe also langsam und ganz vorsichtig weiter. Plötzlich schält sich aus dem schwarzen Teer eine abscheuliche Kreatur mit einem riesigen Maul und messerscharfen Klauen. Ich will an ihr vorbeirennen, doch sie versperrt mir den Weg. Sie holt zum Schlag aus und trifft mich direkt am Oberkörper. Ich taumle zu Boden. Hilflos und voller Panik feuere ich die letzten beiden Schüsse aus meiner Handwaffe – natürlich verfehle ich! Die Kreatur beugt sich zu mir runter und beißt mir den Fuß ab. Mein schmerzverzerrter Schrei erfüllt die Kellerräume. Der Bildschirm bedeckt sich mit Blut und das Bild wird langsam schwarz-weiß. Ich kann noch einen letzten Blick auf den vor mir liegenden, abgetrennten Fuß werfen, dann wird alles schwarz und die Worte YOU ARE DEAD erscheinen.
Alte Stärken
So und ähnlich intensiv spielt sich Resident Evil 7 Biohazard: Der Spieler übernimmt die Kontrolle von Ethan, der auf der Suche nach seiner verschwundenen Frau Mia ist. Eines Tages bekommt er eine Nachricht von ihr, dass sie sich in Louisiana im fiktiven Ort Dulvey befindet. Dort hält sie sich im Haus der Baker-Familie auf und Mia bittet Ethan, sie abzuholen. Ethan macht sich also auf nach Louisiana, doch anstatt von Mia begrüßt zu werden, trifft er auf den irren und sadistischen Baker-Clan, dessen Oberhaupt Jack besonders furchteinflößend und wahnsinnig zu sein scheint. Mehr wollen wir an dieser Stelle aber auch nicht über die Handlung verraten, schließlich sind wir keine Spielverderber!
So viel sei aber gesagt: Wer den ersten Resident-Evil-Teil gespielt hat, wird sich sofort heimisch fühlen: RE7 spielt sich zwar aus der Ego-Perspektive, die Gameplay-Stärken und auch das grobe Setting des Originals wurden aber übernommen: Ethan schleicht sich seinen Weg durch ein gruseliges Haus, auf der Suche nach seiner Frau. Dort hat er nicht nur unheimliche Begegnungen mit der Baker-Familie, er muss auch mehrere Rätsel lösen und verschlossene Türen öffnen. Hin und wieder findet man zwar Waffen und Munition, aber lasst euch davon nicht täuschen: Resident Evil 7 Biohazard ist kein Ego-Shooter, sondern Survival-Horror vom Feinsten. Munition und Erste-Hilfe-Kits sind rar gesät und oftmals ist es klüger und gesünder, einfach die Beine in die Hand zu nehmen.
Bei der Erkundung des Hauses findet ihr viele Gegenstände, aber euer Inventar hat anfangs nur sehr wenig Platz. Doch zum Glück gibt es Kisten, in denen ihr eure Gegenstände verstauen und später darauf zugreifen könnt. Um an gelagerte Items zu kommen, müsst ihr nicht zu einer bestimmten Kiste laufen: Alle Item-Boxen im Spiel bieten euch Zugriff auf eure Gegenstände. Doch Resident-Evil-Veteranen kennen die Mechanik natürlich bereits. Ebenfalls kennen werden alte Hasen das Kombinieren von Gegenständen, um zum Beispiel Medizin herzustellen. Resident Evil 7 Biohazard bietet aber noch mehr, denn der Spieler kann jetzt auch noch Munition und mehr herstellen.
Neue Tricks
Auf den ersten Blick könnte man also meinen, Capcom hat einfach ein Remake des ersten Teils aus der Ego-Perspektive gemacht, doch das wird dem Spiel noch lange nicht gerecht. Der japanische Videospielentwickler hat sich auch von aktuellen Horrorspielen wie Outlast und das leider eingestellte P.T. inspirieren lassen. Und auch Hommagen an Horrorklassiker wie The Texas Chainsaw Massacre und The Evil Dead lassen sich erkennen. Ja, sogar eine Prise Saw hat RE7 zu bieten. Statt aber einfach nur einen plumpen Abklatsch besagter Horrorspiele und -filme zu bieten, hat Capcom die besten Zutaten daraus genommen und einen äußerst wohlschmeckenden Cocktail gemixt, der Horrorfans vorzüglich munden wird.
VHS-Kassetten im Jahr 2017
Eine Sache sorgte dann aber doch für hochgezogene Augenbrauen: Es gibt Videokassetten im Spiel. Und nein, Resident Evil 7 Biohazard spielt nicht etwa irgendwann in den 80ern, sondern im Hier und Jetzt. Und da wirken VHS-Tapes selbst für Hinterwäldler in Louisiana nicht mehr zeitgemäß. Aber nun gut, das sei Capcom verziehen, das Stilmittel an sich ist nämlich verdammt genial: Denn die Kassetten, die Ethan im Spiel findet, kann er nicht nur anschauen, der Spieler übernimmt auch die Kontrolle in den kleinen Abschnitten und findet so mehr über die Hintergründe zu den Ereignissen heraus und gelangt an Informationen, die sich später im Spiel nutzen lassen. Auch hier hat Capcom Found-Footage-Filme wie The Blair Witch Project und [Rec] genommen und die besten Elemente hieraus gekonnt in das Spiel eingewoben.
Audiovisueller Horror
Damit ein Horrorspiel funktioniert, muss es mehrere Sinne ansprechen und Resident Evil 7 Biohazard leistet hier hervorragende Arbeit: Die Grafik, bei der die hauseigene RE Engine zum Einsatz kommt, sorgt für eine schaurig-schöne Kulisse mit vielen Licht- und Schatteneffekten. Und auch der Sound tut sein Übriges, um den Spieler mitten im Geschehen zu platzieren: Ganz egal, ob Regen gegen die Fensterscheibe prasselt, der Wind durch die Wandritzen zischt oder man aus der Ferne ein dumpfes Stöhnen hört: Ohne die bedrohliche Soundkulisse wäre RE7 nur halb so furchteinflößend und das Spiel genießt man am besten alleine mit Kopfhörern in einem dunklen Raum. Denn nur so läuft einem der kalte Schauer den Rücken herunter, den Fans des Genres so sehr lieben und als wohlig empfinden.
VR
Ist Resident Evil 7 durch seine gnadenlose Gewalt und den atmosphärischen Grusel schon auf einem Bildschirm über weite Strecken absolut nichts für zarte Gemüter, wird der Ausflug ins Haus der Baker-Familie in VR endgültig zum fiesen Horrotrip. Dabei erstaunt zunächst vor allem die technische Seite: Selbst auf der normalen PS4, deren Rechenpower deutlich hinter der PS4 Pro zurückbleibt, müssen nur mäßige Abstriche in Kauf genommen werden. So werden die notwendigen 60 Frames unter anderem durch die Reduzierung der Auflösung und ein damit einhergehendes etwas verwaschenes Bild sowie eine Detail-Reduzierungen an den Rändern des Sichtfeldes erreicht. Das ist sichtbar, fällt aber nach wenigen Minuten kaum noch auf.
Spannender ist die Tatsache, dass die Entwickler sinnvolle Einschränkungen bei den zahlreichen Cutscenes in Kauf genommen haben, bei denen der Spieler die Kontrolle über die Kamera verliert. Das nämlich kommt in der VR einer Übelkeitsgarantie gleich. Besonders bewegungsintensive Szenen werden also gezielt überblendet oder zum Teil nur in 2D gezeigt. Das bricht mitunter zwar die Immersion, streicht aber gleichzeitig den Kotzeimer von der Bedarfsliste. Auch die Bewegungssteuerung wurde angepasst – so muss man sich zwar immer noch mit der etwas problematischen Lauf-Steuerung auseinandersetzen, die bei einigen Menschen Unwohlsein hervorrufen kann, durch eine mögliche Drehung in 45°-Winkeln und die geschickte Verkleinerung des Sichtfeldes durch Einsatz einer Vignette bei schnellen Bewegungen kann man Resident Evil 7 aber auch länger am Stück mit dem PlayStation-VR-Headset auf dem Kopf genießen – falls man das exorbitante Stresslevel erträgt, das einem das Spiel auferlegt.
Selbst bereits in 2D absolvierte Passagen werden in der VR (ein ordentliches Headset für den hervorragenden 3D-Sound vorausgesetzt) erneut zum brutalen Horrotrip. Jumpscares und Fluchtsequenzen wirken um ein vielfaches intensiver. Die „Angst vor der Ecke“ steigert sich um Vielfaches, wenn man in der virtuellen Realität per Kopfneigung um eine Ecke lugt, anstatt auf einen Bildschirm zu starren. Auch die heftige Gewalt ist um einiges ekliger und drastischer, wenn man sie per VR-Headset erlebt – da fallen vereinzelte, merkwürdige Perspektivfehler kaum ins Gewicht. Etwas störender ist allerdings ein heftiger Immersionsbruch: Ethan besteht in der VR, anders als in 2D, nur aus schwebenden Unterarmen. So umgeht man zwar das ebenfalls problematische Gefühl, in einem perspektivisch falschen Körper zu stecken, sorgt in einigen Sequenzen aber für merkwürdige Immersionslücken und alberne Fehler, die der bedrohlichen Atmosphäre entgegenwirken. Dennoch: Resident Evil 7 ist das erste Vollpreis-Spiel, was die Möglichkeiten der VR eindrucksvoll demonstriert, ohne in 2D Abstriche zu machen.
Fazit
Wow, was für eine Erfahrung! So gut hat sich Resident Evil schon seit Jahren nicht mehr angefühlt. Zuletzt verkam die Reihe leider zu einem billigen Abklatsch von Spielen wie Call Of Duty und Gears Of War. Mit Horror, Angst und Survival hatte das alles nichts mehr zu tun. Doch Capcom hat aus den Fehlern vergangener Tage gelernt und serviert uns mit Resident Evil 7 Biohazard ein Horrorfestmahl, das von der ersten Sekunde an fesselnd ist und uns bis zum Schluss die Kehle zuschnürt. Bitte mehr davon!
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