Mensch trifft Maschine. Nur: Wer wer ist, ist nicht ganz klar. Auf der einen Seite haben wir Peter Tägtgren, nicht als Kind von Traurigkeit bekannt, und somit zunächst als nahbarer Part des Duos prädestiniert. Ihm gegenüber steht Till Lindemann, den man von Rammstein eher als kühlen, distanzierten und gerne auch abgehobenen Frontsoldaten abgespeichert hat. Und doch sorgt der Deutsche mit simplen, aber wortgewitzten englischen Texten für unterschiedlichste Emotionen zwischen Sympathie und Abneigung, während der Schwede mit metallisch-industriellen Klängen den zackigen Roboterrhythmus vorgibt.
Ein Wechselspiel, aus dem das Lindemann-Doppel viel seines Charmes und seiner Dynamik zieht! Denn das gemeinsame Projekt von Peter Tägtgren und Till Lindemann ist mehr als nur die Summe seiner Teile. SKILLS IN PILLS klingt zunächst ganz ähnlich wie ein Pain-Album, auf dem Till Lindemann singt. Heißt: Simple, nach vorne gehende Rhythmen für die Metal- und Gothic-Tanztempel, wuchtige Gitarren und ohrwurmige Melodien, die mit Chören, Electro- und Orchester-Samples aufgepompt werden. In die Nähe von Rammstein rückt das Klangkonstrukt durch manch besonders zackiges Riff, das man auch schon bei den großen deutschen Brandstiftern gehört zu haben meint, wenn nicht schon allein durch die markante Stimme. Die Rammstein-Röhre verliert nichts von ihrer Faszination, klingt sie doch auch im Englischen deutsch. Wie abwechslungsreich Till Lindemann die gesamte Bandbreite von einschmeichelndem Flüstern über voluminöses Grollen bis hin zum gern und oft eingesetzten theatralischen Gesang ausreizt, lässt erahnen, wie viel Spaß er und Tägtgren beim Experimentieren im Studio hatten.
Allerlei Obszönitäten (‘Golden Shower’), Provokationen (‘Praise Abort’, ‘Fat’) und Jungshumor (‘Cowboy’, ‘Fish On’) lassen diesbezüglich keine Fragen mehr offen. Vor allem aber – und das ist das Mehr von SKILLS IN PILLS – ist es erfrischend, Till Lindemann fernab von Rammstein’scher Perfektion, unperfekt und frei(er) aus der Hüfte rockend zu erleben. Lindemann wollen die schnelle Nummer statt Liebe für alle – und genau das macht dieses Album so liebenswert. Dass sich mancher Hörer an der Aufbereitung vermeintlich ernster Themen wie sexueller Identität, verschiedenen Fetischen, Potenz und Impotenz und letztlich Abtreibung stört, mag Kalkül sein – oder schlicht ein Fingerzeig darauf, dass Kunst und Satire alles dürfen und sogar müssen. Vor allem aufrühren. SKILLS IN PILLS ist auf allen Ebenen gelungen.
—
Rund 100 aktuelle Reviews findet ihr in unserer Juli-Ausgabe.
Das Heft kann einzeln und innerhalb von Deutschland für 5,90 Euro (inkl. Porto) per Post bestellt werden. Einfach eine Mail mit dem Betreff „Einzelheft Metal Hammer 07/15“ und eurer Adresse an einzelheft@metal-hammer.de schicken.
Generell können natürlich alle Hefte auch einzeln nachbestellt werden – alle Infos dazu findet ihr unter www.metal-hammer.de/einzelheft.
—
Bestens informiert über dieses und alle weiteren wichtigen Themen im Metal bleibt ihr außerdem mit unserem Newsletter. Ein Mal pro Woche flattert euch übersichtlich sortiert ein Update ins Postfach. Einfach anmelden, damit euch auch sicher nichts entgeht.
ÄHNLICHE KRITIKEN
Tenside :: CONVERGENCE
King Chrome :: RIDIN' SHOTGUN
Trivium :: Silence In The Snow
ÄHNLICHE ARTIKEL
Die besten Modern-/NWOAHM-/New Metal-/Crossover-Alben 2024
Den kompletten ultimativen Jahresrockblick gibt es brandheiß und druckfrisch in der aktuellen METAL HAMMER-Januarausgabe!
Megan Thee Stallion: Neues Lied mit Spiritbox
Die Rapperin Megan Thee Stallion wagt sich in neue musikalische Gebiete vor. Nun veröffentlicht sie ein Lied mit der Modern Metal-Band Spiritbox.
Till Lindemann richtet sich mit einem Gedicht an seine Fans
Nach dem mehr als nur skandalträchtigen letzten Jahr blickt Till Lindemann nun positiv der Zukunft entgegen. Und zwar in Form eines seinen Fans gewidmeten Gedichts.