Irgendwie erscheint es schon fast paradox: Seit Amorphis 2005 den Ausnahmesänger Tomi Joutsen verpflichten konnten und sich von ihrer experimentellen Phase der Vorjahre distanziert haben, liefern sie ein Hit-Album nach dem anderen ab – ein Triumphzug wie er im Bilderbuch steht, könnte man meinen. Doch trotz der hervorragenden Kritiken bleibt die Zuschauerzahl während der Tourneen immer noch vergleichsweise klein und so verschlägt es die Finnen auch dieses Mal wieder in die kleine aber feine Rockfabrik nach Ludwigsburg, um das bärenstärke neue Album CIRCLE ausgiebig zu präsentieren.
Beachtliche Verstärkung bekommen sie dabei von den amerikanischen Wunderknaben Starkill. Gut, eine solch außergewöhnliche Melange aus den Black Metal-Symphonikern Dimmu Borgir und alten Children of Bodom ist auch an diesem Abend sicher nicht Jedermanns Sache, technisch ist das blutjunge Quartett aus Chicago aber über jeden Zweifel erhaben. Schade nur, dass der Sound bei den irrwitzigen Gitarren-Soli von Frontmann Parker Jameson nicht ganz mitmacht. Über weite Strecken sind die Sechssaiter viel zu leise und kommen gegen die Basswände der Rhythmusfraktion nicht an. So gehen dann leider auch die orchestralen Samples, die den Facettenreichtum des Debütalbums FIRES OF LIFE zusätzlich unterstreichen, komplett unter. Davon einmal abgesehen liefern Starkill allerdings eine äußerst ambitionierte Leistung ab und hinterlassen mit ihren ungezügelten Kompositionen eine ordentliche Duftmarke – sicherlich eine Band, die man im Auge behalten sollte.
In der Galerie oben findet ihr Bilder von Amorphis in Köln vom 05.11.2013
Mit mehr als 20 Jahren auf dem Buckel zählen Amorphis dagegen zu den absoluten Routiniers der finnischen Metal-Szene und das spielen sie am heutigen Abend auch gnadenlos aus. Zu Anfang dürfen erstmal ‘Shades Of Gray‘ und ‘ Narrow Path‘ aus dem aktuellen Album Ludwigsburger Neuland betreten, bevor der SKYFORGER-Doppelschlag mit dem verträumt verspielten ‘Sampo‘ und dem brachialen ‘Silver Bride‘ das Publikum endgültig in seinen Bann zieht. Schaut man sich dabei das Treiben auf der mit CIRCLE-Bannern verzierten Bühne so an, wird schnell klar, auf wen die Show zugeschnitten ist: Tomi Joutsen ist und bleibt das Amorphis-Aushängeschild. Mit seinen mächtigen Dreadlocks-Wirblern, seinem endzeitlich anmutenden Mikrophon und nicht zuletzt natürlich seinem ungemein charismatischen Gesang zwischen tiefen Death Metal-Growls und zerbrechlichen Clean-Passagen ist er Dreh- und Angelpunkt des Geschehens. Der Rest des Sextetts übt sich in gewohnt finnischem Understatement und lässt lieber die Musik für sich sprechen – und die spricht wahre Bände.
Von alten Klassikern der Marke ‘Black Winter Day‘ oder ‘Against Widows‘ über neuere Stammplatzhalter, wie etwa dem obligatorischen ‘ The Smoke‘ und dem schmachtenden ‘You I Need‘, bis hin zur neuen Single ‘Hopeless Days‘ wird alles gespielt, was in der Amorphis-Diskographie Rang und Namen hat. Überraschenderweise zündet die Truppe ‘My Kantale‘, das mit seinem himmlischen Instrumental-Outro sonst als gesetzter Rausschmeißer fungiert, schon im ersten Drittel der Show und leitet mit ‘Into Hiding‘ den zweiten Teil des regulären Sets ein. Dieser wird aufgrund seiner Hit-Dichte mindestens ebenso frenetisch bejubelt, wie der ohnehin schon starke Einstieg der Nordländer. Bei einer solch erhabenen Songauswahl vergeht die Zeit leider wie im Flug, weshalb das selten gehörte ‘Leaves Scar‘ dann leider schon das vorläufige Ende des Auftritts markiert. Hier stellen Amorphis aber noch einmal unter Beweis, dass sie Meister ihres Fachs sind. Keine andere Band in diesem Sektor schafft es, folkloristische Ohrwurm-Melodiebögen auf so gekonnte Art und Weise mit harschen Growl-Kontrastierungen zu vermengen. Und so findet die hohe Kunst der Finnen nach exakt 90 Minuten und ihrem Gassenhauer ‘House Of Sleep‘ ein mehr als würdiges Ende. Und auch wenn die Rockfabrik heute nicht ganz ausverkauft war, so muss man sich um Amorphis anno 2013 absolut keine Sorgen machen. Das eingangs erwähnte Paradoxon will sich hinsichtlich der bestechenden Form der wohl lieblichsten Vertreter des finnischen Düster-Metalls aber trotzdem nicht so ganz erschließen.
Setlist
- Shades of Gray
- Narrow Path
- Sampo
- Silver Bride
- Against Widows
- The Wanderer
- My Kantele
- Into Hiding
- Nightbird’s Song
- The Smoke
- You I Need
- Leaves Scar
Encore:
- Sky Is Mine
- Black Winter Day
- House of Sleep