Wie nah Genie und Wahnsinn beieinanderliegen, ist nicht nur inhaltliches Thema des neuen Ayreon-Albums THE THEORY OF EVERYTHING, sondern spiegelt sich auch in der äußeren Form wider. Klassische Song-Strukturen existieren faktisch nicht: Vier Stücke (‘Singularity’, ‘Symmetry’, ‘Entanglement’ und ‘Unification’) erstrecken sich über die beiden CDs, unterteilt in 42 Tracks beziehungsweise Mini-Episoden. Refrains? Fehlanzeige. THE THEORY OF EVERYTHING rauscht in einem durch und muss wie ein Film, oder besser: Hörbuch aufgenommen und entschlüsselt werden.
Und doch darf, kann, muss jeder dem Ayreon-Trip folgen: Statt großer Refrains als Leuchtturm legt Arjen Lucassen kleine Anker in Form unzähliger wunderbarer Melodien aus, an denen man sich nur zu gern entlanghangelt. Denn trotz der ungewöhnlichen Struktur erkennt man zu jeder Sekunde: Das sind Ayreon! Die stimmgewaltigen Sänger (unter anderem JB von Grand Magus, Cristina Scabbia von Lacuna Coil und Marco Hietala von Nightwish), die fähigen Musiker (darunter Rick Wakeman, Keith Emerson und Jordan Rudess), die bezaubernde Mischung aus Prog, Folk, Space Rock und Metal – hier gibt der holländische Metal-Musical-Meister den Fans, was sie wollen.
Und auch die Geschichte rund um einen wissenschaftlichen Wettstreit, einen Vater-Sohn-Konflikt und die Antwort auf die Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest hat nur oberflächlich nichts mit den Sci-Fi-Storys der bisherigen Alben zu tun. THE THEORY OF EVERYTHING mag mitunter anstrengend sein und ganz sicher nicht zur Hintergrundberieselung taugen. Sehr wohl aber, um rund 90 Minuten in eine eigene kleine Parallelwelt abzutauchen und sich wahnsinnig wohlzufühlen.
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