
Ja, Ketzerei: Selbst manch eingefleischter Avantasia-Fan war nicht wie gewohnt begeistert von THE MYSTERY OF TIME (2013). Ein gutes Album zwischen Hard Rock und Melodic Metal, keine Frage. Aber dem zugegeben harten Vergleich zu den Vorläufern konnte es nicht standhalten: zu wenig Herausragendes, nicht genug Epos, zu vieles zu Erwartbares.
Und damit: Vorhang auf für GHOSTLIGHTS, das endlich wieder alles richtig macht. Es sind mehrere Faktoren, die Tobias Sammets neuestem Streich den nötigen Event-Charakter verleihen, darunter: Abwechslungsreiche Songs voller Überraschungen und eine ebensolche Gästeliste. Beides greift ineinander, denn, bewusst oder nicht: Die zwölf Stücke lehnen sich zum Teil recht eng an die Haupt-Band des jeweiligen Sängers an. Seien das nun Nightwish (‘Master Of The Pendulum’ mit Marco Hietala), Queensrÿche zur RAGE FOR ORDER-Phase (‘Seduction Of Decay’ mit Geoff Tate), oder – selbstverständlich – Helloween, wann immer Michael Kiske seine Stimme erheben darf (‘Unchain The Light’, ‘Ghostlights’). Dies kreist die Eckpunkte von GHOSTLIGHTS ein – wird aber weder den Abstufungen noch den Ausbrüchen gerecht. Vor allem Letztere sorgen für Spannung! Bereits hinter dem Opener ‘Mystery Of A Blood Red Rose’ steckt mit Chören, Pathos und Piano eine waschechte Meat Loaf-Nummer und der perfekte Start in diese ausladende Rock-Oper. Und der Gothic Metal-Schmachtfetzen in bester HIM- und The 69 Eyes-Manier, ‘Draconian Love’, ist nicht nur heimliches Highlight des Albums, sondern strahlt weit darüber hinaus gehende Rock-Radio-Hit-Qualitäten aus – wie zuletzt die Klaus Meine-Kooperation ‘Dying For An Angel’.
Dass nichts davon aus dem Rahmen fällt, sondern herrlich homogen wirkt, ist Sammets Sinn für Songwriting geschuldet, das Kritiker als kitschig und poppig verschreien mögen, letztlich aber in seiner Melange aus klassischem Metal, griffigen Melodien und pathetischen Emotionen die headbangenden Massen begeistert. Musikalisch ist GHOSTLIGHTS streckenweise wieder näher an den Avantasia-Ursprüngen THE METAL OPERA PART 1 & 2 und früheren Edguy-Alben. Und auch näher am überlebensgroßen Musical als zu-letzt, speziell im Zwölfminüter ‘Let
The Storm Descend Upon You’, der zu keiner Sekunde langweilt und in bester Tradition von ‘The Piper Never Dies’ (Edguy) oder ‘The Seven Angels’ steht. Eher unspektakulär scheinende Songs wie ‘Isle Of Evermore’ (mit Sharon Den Adel, könnte auch von einem der letzten beiden Within Temptation-Alben stammen) oder die knackige Dio-Gedenknummer ‘Lucifer’ mit Jørn Lande sorgen für Verschnaufpausen und nötige Dynamik inmitten des Spektakels. Hasser werden hassen, aber: Besser wird’s im Melodic Metal nicht mehr!
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