Freue dich, Slayer-Fan! Denn dieses Jahr fällt Weihnachten auf den 30. Oktober. Und der Kollege mit der blutroten Kutte trägt heuer eine Sense über der Schulter. Okay, das Gefasel der Band im Vorfeld, es würde wieder ein echtes Old School-Album geben, verbuchen wir mal unter Werbegetrommel. Denn WORLD PAINTED BLOOD klingt zu keiner Minute, als hätte es in den Achtzigern seinen Weg aus dem Studio gefunden. Dafür ist der Sound von Produzent Greg Fidelman zu wuchtig, und auch mancher Riff (zum Beispiel im Titel-Song) passt einfach nicht in diese Zeit.
Aber Slayer haben eine Scheibe aus dem Boden gestampft, die deutlich an die goldene Dekade angelehnt ist, ohne dabei staubig zu klingen. Und das ist eine wesentlich größere Leistung, als sich einfach nur plump selbst zu kopieren. Zuerst fällt auf, dass endlich mal wieder ein paar gute, wichtige Trademarks herauszuhören sind: Da wäre zum Beispiel Dave Lombardos unglaubliches Getrümmer, das plötzlich wieder viel besser zur Geltung kommt und selbst einer so kurzen wie an sich stumpfen Nummer namens ‘Public Display Of Dismemberment’ etwas Göttliches verleiht.
Zudem wirkt Arayas Stimme deutlich wütender als auf den letzten Alben. Dazu schütteln sich Hanneman/King neben ihren wirren Soli diverse Killerideen aus dem Ärmel (man höre nur mal den Beginn von ‘Unit 731’) und bauen auch lieb gewonnene Tonfolgen der Marke ‘South Of Heaven’ oder ‘Raining Blood’ (hier bei ‘Beauty Through Order’) ein. Vor allem aber überzeugen die Songs als Ganzes: Kein zielloses New Metal-Geschwurbel mehr (am ehesten erfüllt vielleicht noch ‘Americon’ diese Bezeichnung), sondern reiner Thrash mit all seinen Facetten. Fiesen Brettern wie ‘Snuff’, dem bereits jetzt legendären ‘Psychopathy Red’, ‘Hate Worldwide’ oder dem Rausschmeißer ‘Not Of This God’ stehen bedrohlich kriechende Walzen der Marke ‘Human Strain’ oder das überragende ‘Playing With Dolls’ (der würdige Nachfolger von ‘Seasons In The Abyss’) gegenüber.
Gerade bei den beiden letztgenannten Stücken verirrt sich durchaus auch mal eine Melodie in das Riff-Gewitter, aber unterm Strich zählt nur die Aggression. Und die wurde so eindrucksvoll in Stahl gegossen wie seit 1990 (SEASONS IN THE ABYSS) nicht mehr. Ob es wirklich nur daran liegt, dass Jeff Hanneman wieder stärker ins Geschehen eingegriffen hat und auch Araya und Lombardo größeres Mitspracherecht bei den Kompositionen hatten – CHRIST ILLUSION stammte nahezu ausschließlich aus der Feder von Kerry King – ist für Außenstehende schwer einzuschätzen. Aber es ist ganz offensichtlich, dass die mittlerweile deutlich ergrauten Herren mit ihren Wurzeln gespielt und sich dabei neu erfunden haben. Das freut sowohl den alten Hasen als auch den Jungspund, denn WORLD PAINTED BLOOD verbindet alle Metal-Generationen miteinander, als wäre es das Einfachste der Welt.
Wer das nicht glaubt, bestellt sich beim echten Weihnachtsmann am besten gleich vier Exemplare dieses Meisterwerks (damit das Cover auch schön vollständig ist) und genießt die Erkenntnis, dass früher nicht zwangsläufig alles besser war.
Kommentare der Redaktion
Mit ihrer kompromisslosen Art erfrischen die alten Herren jeden Soundcheck, egal, wie viele Jahre ins Land gegangen sind und egal, welcher Trend grad in ist. Dennoch hätte auch ich gerne meinen Lieblings-Panda Abbath mit seinen Immortals auf dem Thron gesehen –das Reunion-Album ist die wahre Nummer Eins diesen Monat. Aber, Leben ist kein Wunschkonzert und Slayer sind immer eine Band, die für erstklassigen Thrash steht.
Thorsten Zahn (6 Punkte)
CHRIST ILLUSION (2006) war mir zu linear: Das neue Material zeigt Slayer von einer sehr viel abwechslungsreicheren, sehr viel rhythmischeren Seite. WORLD PAINTED BLOOD kommt zwar nicht an die absoluten Klassiker ran – stellt aber das stärkste Album seit 1990 und SEASONS IN THE ABYSS dar. Und das allein rechtfertigt schon eine tiefe Verneigung sowie sechs fette Punkte – und den Soundchecksieg.
Matthias Weckmann (6 Punkte)
Es ist schon gemein: Da bringen Slayer endlich mal wieder ein neues Album raus, und ich gönne ihnen den Sieg nicht. Mein Herz schlägt in diesem Monat nämlich eher für Immortals und Count Ravens neue Werke als für WORLD PAINTED BLOOD. Das liegt insbesondere daran, dass trotz zündender Thrash-Riffs der Grummel-Charme von Abbath oder die Dramatik von Dan Fondelius und seiner Crew nicht erreicht werden. Daher: Gratulation zur erneuten Thronbesteigung – die heimlichen Gewinner sind aber die Zweit- und Drittplatzierten.
Petra Schurer (5 Punkte)
Oha, Überraschung: die neue Slayer ist nahezu experimentell ausgefallen. WORLD PAINTED BLOOD hat rassig-rhythmisierte Riffs, ausgeklügelt abwechslungsreiche Arrangements (‘Human Strain’), Tempo und Temperament. Neben einem Songwriting, das für Slayer-Verhältnisse ein extrem breites Spektrum abdeckt, bricht Kollege Araya aus dem üblichen Phrasierungs-Phlegma aus, wodurch es gesanglich deutlich differenzierter und nuancierter zur Sache geht als gewohnt. Und allein dafür, dass Slayer es tatsächlich schaffen, einmal Ansatzweise wie die guten Gluecifer (‘Playing With Dolls’) zu klingen, haben sie sich den Bonuspunkt verdient.
Frank Thiessies (5 Punkte)
Ich erinnere mich noch gut an den Moment, als WORLD PAINTED BLOOD endlich für die Redaktion zur Analyse vorlag: Kollege Warmaster Krapp und ich sind bangend durchs Büro gehüpft – endlich wieder Slayer-Futter. Einmal gehört, noch mal und noch mal. Doch der Begeisterung wich alsbald dezente Ernüchterung, denn die Blutwurst hört sich doch relativ flott ab. Dennoch: Solides Album mit guten Songs. Mehr aber leider nicht.
Anzo Sadoni (5 Punkte)
Mit ihrem musikalischen Comeback CHRIST ILLUSION haben die Herren King, Hanneman, Araya und Lombardo den richtigen Weg eingeschlagen. Auf WORLD PAINTED BLOOD setzen sie diesen konsequent fort, trotz einiger neuer Ideen und Slayer-untypischen Parts. Dennoch bleiben Markenzeichen wie straighte Riffs und geiler Groove erhalten. Das belastet nicht nur die Nackenmuskulatur, sondern auch die Stimmbänder. Wieso? Slayyyyer!
Florian Krapp (6 Punkte)
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