Acht Jahre hat es gedauert – nun sie sind zurück: die Stadion-Sterneköche der dampfenden Stampfkartoffeln, die Pub-Propheten des harten Blues, die Proleten-Apologeten alter Rotz-Rock-Schule. Wie die Ramones und Motörhead gehören AC/DC zu jener seltenen Spezies von Bands, der das Experimentier-Gen fehlt: Wo AC/DC drauf steht, ist AC/DC drin – und sonst nichts.
Aber seien wir mal ehrlich: vermeintliche Verbesserungen oder Innovationen wie zum Beispiel alkoholfreies Bier mit Papaya-Geschmack oder fettlose fleischfreie Frikadellen haben sich auch nicht als gute Idee erwiesen, geschweige denn erzielen sie das gewünschte Resultat. So bleibt die Rock’n’Roll-Rezeptur auch hier wieder schön auf das Wesentliche konzentriert – und macht damit Fans glücklich.
Ja, BLACK ICE ist erheblich besser als BALLBREAKER (1995) oder STIFF UPPER LIP (2000). Brian Johnson liefert seine beste und facettenreichste Gesangsleistung seit langem ab, die Riffs sind knackig, die Hooks stehen stramm, die bellenden Backing-Chöre sind zurück, und der Textsack ist wieder prall gefüllt mit subtilen Sex-Metaphern. Während Drummer Phil Rudd – ein begrüßenswerter Stoiker hinter dem Schlagzeug – auf der Mid-Tempo-Bahn den schnörkellosen Stiefel unbeirrt durchzieht und Basser Cliff Williams pointiert Pfund gibt, sind Johnson und die Gebrüder Young einmal mehr die heldenhaften Hauptakteure des Albums.
Dank gebührt dazu noch Produzent Brendan O’Brien (Bruce Springsteen, Pearl Jam, Velvet Revolver), der – im Gegensatz zu seinen beiden Vorgängern Rick Rubin und George Young – AC/DC im Jahre 2008 mit einer pumpenden und gleichsam puristischen Produktion auf dem richtigen Fuß erwischt hat. ‘Rock’n’Roll Train’ – erste Auskoppelung und Album-Opener – dürfte mittlerweile ja ebenso hinlänglich bekannt sein wie die Tatsache, dass es sich hier um die beste Single der Band seit 1990 handelt. Mit ‘Skies On Fire’, einem melodischen Mid-Tempo-Mantra, geht es anschließend munter weiter.
Das darauf folgende ‘Big Jack’ kann schon jetzt als künftiger Klassiker in dem an selbigen nicht gerade armen Kanon der australischen Instanz gerechnet werden: Mit einem Stones-mäßigen ‘Brown Sugar’-Gitarren-Riff im Ohrwurm-Chorus gesegnet, ist das Zufriedenheitsgrinsen garantiert. ‘Anything Goes’ erweist sich dann als ungewohnt glamouröse Angelegenheit, die mit ‘Born In The USA’-Referenz-Strophe Def Leppard zeigt, wer hier immer noch der Boss ist – herrlich. ‘War Machine’ hingegen brodelt anfänglich bluesig finster vor sich hin und erinnert an frühere Großtaten. Nicht ganz von diesem Kaliber ist ‘Smash’n’Grab‘, welches mit seinem Bridge-Arrangement fast einen gehört/gefühlten Bläser-Einsatz halluzinieren lässt. Erst mit ‘Spoilin’ For A Fight’, einer ziemlich belanglosen Füller-Nummer, kommt BLACK ICE das erste Mal etwas in Stocken – nur um dann wieder Fahrt aufzunehmen: mit dem schon besseren Boogie von ‘Wheels’ sowie ‘Decibel’, das streckenweise klingt, als würden die Quireboys das von Joe Cocker bekannt gemachte ‘You Can Leave Your Hat On’ covern.
‘Stormy May Day’ überrascht mit amerikanischer Attitüde und feiner Southern-Slide-Gitarre und hätte auch auf dem LONG COLD WINTER-Klassiker der AC/DC-Jünger Cinderella nicht deplatziert gewirkt. Für alle, die es bislang noch nicht kapiert haben, erfolgt mit ‘She Likes Rock’n’Roll’ noch mal die kurze Erinnerung, worum es schon immer in erster Linie ging. Mit ‘Money Made’ geht der Tanz mit der zweitwichtigsten Sache der Welt wieder recht amerikanisiert weiter, dafür sorgt allein schon das Banjo-artige Square Dance-Gitarrenspiel im Refrain. Und dann kommt es: ‘Rock’n’Roll Dream’ ist die ungewollte Überraschung des Albums, ein halb-balladesker Blues-Bastard aus Free/Bad Company und Led Zeppelin. ‘Rocking All The Way’ ist wiederum ganz klassisch AC/DC und eine grundsolide Nummer mit Chuck-Berry-Gedächtnis-Gitarre.
Und wenn dann mit ‘Black Ice’ zum Ende die imaginären Kanonen im Kopf Salut schießen, weiß man, dass AC/DC alles richtig gemacht haben. Ob das mit 15 Songs bislang längste Album der Australier in klassisch kompakterer Form vielleicht noch besser geworden wäre, als es sowieso schon ist, sei dahingestellt. Unterm Strich gilt, dass die Jungspunde von Airbourne mit RUNNIN’ WILD in diesem Jahr vielleicht das ungestümere, wildere und schnellere, aber nicht das langfristig befriedigendere Album gemacht haben. Denn die Herren Johnson und Young beweisen eindringlich, dass Erfahrung, Abgeklärtheit und Altersweisheit in allen Lagen immer noch die unschlagbareren Qualitäten sind. Und überhaupt – wer hat es erfunden? Nein, nicht Krokus. AC/DC waren es.
Kommentare der Redaktion
AC/DC legen bei BLACK ICE keinen großen Wert auf überflüssige Schnörkel. Es gibt gradlinigen, furztrockenen und fett produzierten Blues Rock, der für alle Nachahmer auf immer unerreichbar bleiben wird. Das Album groovt, stampft und rockt sich durch 15 Songs, die abwechslungsreicher nicht sein könnten. BLACK ICE ist wie ein guter Wein: man muss Jahre lang drauf warten, aber der Genuss ist einmalig. Darauf noch einen Schluck…
Thorsten Zahn (6 Punkte)
Die schottischen Auswanderer machen das, was sie am Besten können: Riff Rock, Riff Rock und nochmals Riff Rock ohne Ende. Erdig, schnörkellos und voll auf die Glocke. Songwriterische Innovationen glänzen dabei auch diesmal mit Nichtexistenz, doch wer diese ernsthaft von einer Band erwartet, deren Kritiker spotten, sie würden seit fast 30 Jahren stets dasselbe Album aufnehmen, bewegt sich im falschen Universum. Immerhin: Mit ‘Rock’n’Roll Train’ ist Angus & Co. ein Gassenhauer mit Evergreen-Potenzial wie schon lange nicht mehr gelungen, und auch sonst dürfte kein Anhänger der Band von BLACK ICE wirklich enttäuscht sein.
Andreas Schöwe (6 Punkte)
In der Schulzeit waren mir AC/DC immer zu eintönig. Dann kamen die Bars, die Biers, die Clubs – und die Australier wurden zu lieb gewonnen Wegbegleitern. Der größte Pluspunkt dieser Band ist auch ihr größter Nachteil – die Fans bekommen immer hundertprozentig das, was sie erwarten, so auch auf BLACK ICE. AC/DC können nicht aus ihrer Haut, was wohl auch daran liegt, dass sich ein Angus Young gar nicht erst – wie er im letzten METAL HAMMER zugab – mit dem aktuellen musikalischen Geschehen auseinandersetzt. Schade eigentlich: So stampfen AC/DC auf der Stelle. Das allerdings extrem fett und auf höchstem Niveau. AC/DC sind AC/DC sind AC/DC sind fünf Punkte.
Matthias Weckmann (5 Punkte)
Bei AC/DC geht’s einem wie bei Bon Jovi: Hört man nie zu Hause, kennt aber trotzdem beim Konzert alle Songs. So kann ich schon jetzt, wenige Tage nach der Veröffentlichung der Single ‘Rock ’n‘ Roll Train’, den Text fast auswendig. Das Talent, Hooklines zu komponieren, haben AC/DC also im Laufe der Jahr(zehnt)e nicht verloren. Dafür gibt’s fetten Respekt. Auf einer rein persönlichen Ebene jedoch muss ich sagen, dass mir eine Best Of-Scheibe oder ein Live-Gig von AC/DC insgesamt aber doch lieber sind.
Petra Schurer (5 Punkte)
Ja ja, lange hat’s gedauert. Sehr lange. Aber auch diese Zeit haben wir ohne größere Probleme hinter uns gebracht. Waren doch auch in diesen sieben Jahren unzählige Bands mit geilen Alben am Start. AC/DC liefern nun durchaus ein gutes AC/DC-Album ab, die Sensation ist aber ausgeblieben (nicht wie bei Metallica). Dennoch: solides Handwerk mit ein paar Raffinessen. Gelernt ist schließlich gelernt. Da ich eh kaum Erwartungen hatte, wurde ich auch nicht enttäuscht. Und dass Airbourne dieses Jahr das geilere AC/DC-Album abgeliefert haben, ist auch nichts Neues…
Anzo Sadoni (5 Punkte)
Eine Band, die seit beinahe 35 Jahren mit dem exakt gleichen Sound und der exakt gleichen Songausrichtung weder angestaubt noch eindimensional klingt, kann man nur zur Legende deklarieren: AC/DC sind spektakulärer als Maiden, wichtiger als Metallica und ebenso grandios wie einst Led Zeppelin. Feiern wir BLACK ICE, lobpreisen wir die letzte große Konstante dieser aus den Fugen geratenen Musikindustrie. Das beste Album der Australier seit FOR THOSE ABOUT TO ROCK (WE SALUTE YOU).
Matthias Mineur (6 Punkte)
Vor vielen Soundchecken hatte der geschätzte Kollege Sadoni Amorphis attestiert, sie spielten Konsensmusik. Mag sein. Allerdings gab es in der Karriere der Finnen wenigstens so etwas wie eine musikalische Entwicklung. Das kann man dem Urgestein aus Australien leider nicht attestieren. Klar, die Songs stören nicht und werden Hunderttausenden Rockern, nebst Hausfrauen, Familienvätern und vielleicht sogar einigen Senioren gefallen. Aber: Mehr Konsens geht wirklich nicht – nur keine Experimente.
Christian Hector (4 Punkte)
Okay, AC/DC sind offenbar nicht mehr in der Lage, ein Überalbum wie THE RAZOR’S EDGE zu veröffentlichen. Aber auch mit gebremstem Schaum rocken die Jungs immer noch anständig. Die eingängige Single ‘Rock ’n‘ Roll Train’, das bedrohliche ‘War Machine’, die Halbballade ‘Rock’n’Roll Dream’ oder das überraschend beschwingte ‘Anything Goes’, das ein bisschen an Status Quo erinnert, sind starke Nummern. Dass sich unter den restlichen Kandidaten die eine oder andere B-Seite versteckt, gehört bei den Australiern ja fast schon zum guten Ton. Schade, dass die Grillsaison vorbei ist.
Marc Halupczok (5 Punkte)
Endlich ist es da, das seit Jahren sehnlichst erwartete neue AC/DC-Album. Das Warten hat sich mehr als gelohnt, denn die Riffs sind knackig wie lange nicht mehr, während die Produktion zwar zeitgemäß klingt, aber keinen einzigen alten Fan enttäuschen wird. Dass AC/DC dazu noch Hymnen geschrieben haben, wie seit BACK IN BLACK nicht mehr, ist die kiloschwere Sahneschicht auf einem unglaublichen Album. Wie soll denn da eine junge Generation von Nachwuchsrockern heranwachsen, wenn die alten Hasen sich einfach nicht überholen lassen?
Tobias Gerber (6 Punkte)
Nun gut, endlich hat das Fiebern und Rätseln ein Ende – AC/DC veröffentlichen ihr seit acht Jahren ersehntes Album. BLACK ICE der Name und so auch der Sound. Schön aus dem schwarzen Blues inspirierter Rock, der gerne mal ins Tanzbein geht. Zum größten Teil reicht es aber gerade mal für den Bierarm, denn AC/DC kommen nicht ganz so beschwingt rüber wie man sich das gewünscht hätte. Sicherlich solide, straight und knackig, dennoch fehlt an mancher Stelle der letzte Biss. Für den sorgt auf diesem vor allem Sänger Brian Johnson, der scheinbar so fit ist wie lange nicht mehr. Innerhalb der eigenen Discografie platziert sich BLACK ICE im oberen Mittelfeld, vor allem Dank Nummern wie ‘Rock ’n‘ Roll Train’!
Florian Krapp (5 Punkte)
BLACK ICE ist durchschnittlich – nicht mehr und nicht weniger. AC/DC tun niemandem weh und riffrocken behäbig und unauffällig vor sich hin. Eigentlich wie sie es schon seit ihrem letzten Klassiker FOR THOSE ABOUT TO ROCK machen. Und das war 1981. Bis dahin zeigten die Aussies Eier und standen für raue, rotzige Energieausbrüche. Klar sind wieder alle aus dem Häuschen. Der Durchschnittshörer, weil die Musik von AC/DC sehr simpel und zu jeder Zeit zu konsumieren ist. Der Rocker, weil es einfach eine sympathische Truppe, ein Urgestein mit Profil und Persönlichkeit ist. Kreativ jedoch sind Angus und seine Kumpanen schon seit Urzeiten über ihren Zenit hinaus.
Detlef Dengler (4 Punkte)
Ich bin mir sicher: Bevor Lemmy ein derartig harmloses Motörhead-Album auf den Markt wirft, geht er lieber ins Kloster. Die Herren AC/DC hingegen haben offenbar kein Problem damit, ihre einst kultige „Wir haben zwar nur einen Song, aber der ist geil“-Formel endgültig zur Karikatur werden zu lassen. BLACK ICE ist eine einzige Midtempo-Ödnis mit bedauernswert schlichten Riffs und gesichtlosen Songs, nur Brian Johnson überrascht mit ein paar erstklassigen Gesangseinlagen. Enttäuschend!
Robert Müller (3 Punkte)
AC/DC sind die beste Band der Welt. So, jetzt ist es gesagt. Selbst wenn BLACK ICE nicht ihre beste Platte ist. Sie mag schon ein bisschen zu trocken klingen, wie STIFF UPPER LIP einige Stinker enthalten und verständlicherweise nicht mehr so wild oder ansteckend klingen wie früher, aber diesen Stil, diese Reduktion auf’s Wesentliche kann niemand sonst auf dem Planeten so gut. Daumen hoch.
Christof Leim (6 Punkte)
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