Grundsätzlich habe ich bis heute ein Problem mit Reunions alter Legenden. Die Frage ist einfach: Wie toll/nicht toll wäre die gebotene Musik ohne den Namen und die Vergangenheit, die dranhängen. Carcass haben diese Frage mit SURGICAL STEEL letztes Jahr für mich überraschend eindeutig beantwortet: Das kann sehr toll sein. Als At The Gates ankündigten, ihre erst nur live-haftige Reunion auch mit einem neuen Album zu zelebrieren, waren meine Bauchschmerzen spontan noch größer.
Schließlich ist das bis dato letzte Album der Schweden, SLAUGHTER OF THE SOUL, 1995 erschienen und so etwas wie die Blaupause für Melodic Death bis Metalcore. Ein Erbe, gegen das AT WAR WITH REALITY eigentlich nicht gewinnen kann. Und das tut dieses Album auch nicht.
At The Gates 1995 waren eine (damals) von der Geschichte vergessene Band, ihre letzte Tournee im Vorprogramm von Unleashed eine Eins-a-Fallstudie für das „Ende des Death Metal“. Das natürlich verfrüht ausgerufen wurde, genau wie die erwartbaren Hass-Liebe-Kundgebungen zu AT WAR WITH REALITY verfrüht sein werden. Denn der Status, der At The Gates damals posthum und aus heutiger Sicht post facto zugesprochen wurde, wird sich nicht anhand von diesen 13 Songs wegdiskutieren lassen.
Vor allem, weil dieses Album jegliche zeitgeschichtlichen Ansprüche mehr oder weniger unüberhörbar von sich weist: Man hört, dass der Grund, es zu machen, tatsächlich der eine, wahre sein muss – sie hatten Bock drauf. AT WAR WITH REALITY führt zurück in eine Realität, in der drei Minuten ausreichen, um einen Sack voller zündender Riffs ausreichend zu inszenieren; es hat diese oft verkannte Hardcore-Attitüde einer Band, die nie so lange an einer Hymne herumkauen wird, bis der letzte Stadionbesucher es verstanden hat.
Stattdessen haben wir es mit Songs zu tun, die weder gefallen noch Geschichte schreiben, sondern einfach im Hier und Jetzt zünden wollen. Mit einer Einschränkung: At The Gates bleiben At The Gates. Wer den ganzen Kanon nicht kauft und SLAUGHTER OF THE SOUL (plus die in meinen Ohren noch wertvolleren Vorgänger) nicht mochte, wird hiermit niemals bekehrt.
AT WAR WITH REALITY ist großartig, aber auch äußerst erwartbar. Die Freuden dieser Songs sind etwa, Tomas Lindberg endlich wieder als Sänger einer Death Metal-Band zu erleben, die nicht zwanghaft versucht, sich von At The Gates abzugrenzen (siehe Nightrage oder The Crown), oder das Talent der The Haunted-Kerls in etwas manifestiert zu sehen, was, pardon, nicht The Haunted ist.
Letztlich gilt nur eines: Sie können es noch immer extrem gut, selbst wenn ich zugebe, dass hier mehr Selbstplagiat als Zukunftsvision am Start ist. Es macht Spaß, und der allein soll zählen
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