Das Sweden Rock-Festival ist eines der Highlights des schwedischen Frühsommers.METAL HAMMER war vor Ort und bietet euch einen umfangreichen Bericht von Konzerten unter strahlend blauem Himmel!
Hardcore Superstar
Was H.E.A.T. für die Nacht sind, sind Hardcore Superstar für den Tag. Sänger Joakim „Jocke“ Berg ist spritzig wie immer und peitscht das Publikum am letzten Festivaltag mit Partyhymnen wie ‘Last Call For Alcohol’ oder ‘We Don’t Celebrate Sundays’ unentwegt nach vorne. Auch die Single ‘Don’t Mean Shit’ vom aktuellen Album HCSS findet Anklang bei den Fans, die um 13:15 Uhr überraschend zahlreich vor der großen Festival Stage erschienen sind, um ihre schwedischen Landsleute anzufeuern. Lediglich bei den Soli-Einlagen von Vic Zino wünscht man sich doch teilweise eine zweite unterstützende Gitarre dazu, ansonsten gibt es wenig zu meckern.
Ace Frehley
Ace Frehley hingegenteilt ein ähnliches Schicksal wie Slash zwei Tage zuvor. Als legendärer Kiss-Gitarrist wartet der Großteil der Fans vor allem auf die Songs seiner Make-up-Ära. Diese Erwartungen weiß Frehley allerdings durchaus zu erfüllen und präsentiert ein Set, das neben ein paar netten Solo-Nummern vor allem eben auch einige Space Ace-Songs bereithält. Das einleitende ‘Rocket Ride’ gibt den Ton an, während wenig später ein lästiges Groupie bei ‘Parasite’ besungen wird. Gerade gesanglich hat sich Ace fähige Mitstreiter ins Boot geholt. ‘Love Gun’ wird beispielweise vom Schlagzeuger intoniert, während ‘Strange Ways’ vom Bassisten nach einer kleinen Solo-Einlage übernommen wird – ganz Kiss-like eben. In diesem Zusammenhang darf ein Space Ace-Solo mit rauchender Gibson-Gitarre natürlich genauso wenig fehlen wie ‘Shock Me’, ‘Cold Gin’ oder der NYC-Ode ‘New York Groove’. Alles in allem ein durchweg gelungener Auftritt.
Mother’s Finest & Avatar
Eine willkommene Abwechslung zu all den Hard, Glam und Classic Rock Bands des Sweden Rock bieten Mother‘s Finest. Sie bringen nämlich den nötigen Funk mit sehr viel Sympathie und Einsatz zurück auf die Bühnen. Wer hier nicht mindestens mit dem kleinen Zeh mitzuckt, wenn Joyce Kennedy ihre Stimme erhebt, ist selbst Schuld. Die Stimmung ist bei strahlend blauem Himmel dementsprechend prächtig. Nach dieser erfrischenden Performance geht es weiter auf der Zeltbühne, oder besser gesagt der Zirkuszeltbühne, denn die Manege ist frei für Avatar und ihren irren Frontclown Johannes Eckerström. Schon das Intro gleicht einer perfekt einstudierten Attraktion, als die Truppe im einheitlichen Dompteurs-Dress einläuft. Irgendwo zwischen Melodic Death und Industrial ziehen sie dann das Publikum sofort in ihren Bann und ernten dafür tosenden Applaus. Eine beachtliche Live-Darbietung, die sicherlich auch auf einer größeren Bühne wunderbar funktioniert hätte.
Five Finger Death Punch
Apropos große Bühne, auf der Festival Stage versuchen gerade Five Finger Death Punch ihrem Co-Headliner-Status gerecht zu werden. Aus der Ferne scheint ihnen das auch zu gelingen, auch wenn sie „nur“ ein routiniertes Standardprogramm ohne jegliche Überraschungen abliefern. Trotzdem haben sich die US-Amerikaner inzwischen ein beachtliches Arsenal an Gassenhauern aufgebaut. Von ‘Hard To See’, über ‘Lift Me Up’ (dieses Mal leider ohne Rob Halford) bis hin zum starken Cover von ‘Bad Company’ wissen die Herren um Frontmann Ivan Moody und Skelett-Schlagzeuger Jason Hook längst, wie man die Menge für sich gewinnt. Schleierhaft bleibt mir allerdings warum er sich gerade bei ‘Burn MF’ immer kleine Kiddies aus dem Publikum herauspicken muss, damit sie den eher weniger jugendfreien Refrain mitsingen. Die Pop-Schnulze ‘Remember Everything’ kommt dann aber glücklicherweise genau zur richtigen Zeit, während ‘The Bleeding’ den Auftritt standesgemäß abschließt.
Gojira
Gojira liefern vor allem zwei Erkenntnisse. Nummer eins: Wenn man sich die recht dürftige Zuschauerzahl so ansieht, wird klar, dass das Sweden Rock nicht unbedingt der beste Nährboden für extremen Metal ist. Numero zwei: Die Franzosen sind trotzdem eine absolute Live-Macht. Unfassbar wie erbarmungslos die Gebrüder Duplantier zusammen mit ihren Mitstreitern Christian Andreu und Jean-Michel Labadie zu Werke gehen. Nach dem noch etwas vertrackten Einstieg mit ‘Ocean Planet’ folgt sogleich die erste brachiale Riff-Wand in Form von ‘The Axe’. Der Rest ist ein explosives Gemisch aus komplexen Rhythmus-Exzessen und modernsten Death Metal-Interpretationen. Gepaart mit den Umwelt-kritischen Texten haben sich Gojira damit ihr ganz eigenes Universum erschaffen, das sie fast konkurrenzlos dastehen lässt. ‘L’Enfant Sauvage’, ‘Flying Whales’ oder ‘Oroborus’, die Songtitel können willkürlich ausgetauscht werden, da ausnahmslos jedes Stück ins Schwarze trifft und von einer Intensität begleitet wird, die man sehr selten zu hören bekommt. Ein absoluter „Geheimtipp”.
Judas Priest
„The Priest is back” – Unter diesem Motto steht das Konzert der Heavy Metal-Veteranen Judas Priest am heutigen Samstagabend. Und in der Tat hat die Band um Metalgott Rob Halford wieder zu alter Stärke zurückgefunden. Die Setlist ist gespickt mit Klassikern der Bandhistorie, aber mit ‘Halls Of Valhalla’ oder ‘March Of The Damned’ werden auch Songs der aktuellen Platte REDEEMER OF SOULS präsentiert, die sich erstaunlich in den Gesamtkontext einfügen. Richie Faulkner ist an der Gitarre ebenfalls eine echte Bereicherung für die Saitenfraktion. Wenn sein Partner Glenn Tipton mal das ein oder andere etwas unsauber gespielte Solo zum Besten gibt, ist er zur Stelle und macht es mit einer blitzsauberen Frickelei wieder wett. Natürlich singt auch ein Rob Halford bei Weitem nicht mehr wie ein junger Gott, aber er präsentiert sich dennoch deutlich beständiger als noch vor ein paar Jahren, wechselt wie immer regelmäßig seine Kutten und steigt zu ‘Hell Bent For Leather’ auf die Harley, bevor mit ‘The Hellion’ der erste Zugabenteil eingeleitet wird. Geht dem Sänger dann doch einmal die Puste aus, lässt er einfach seine Fans für sich einspringen, wie etwa beim superben ‘Electric Eye‘. Nach erneut energischen Zugaberufen verlangt ‘Painkiller‘ von Halford nochmal alles ab, bevor er sich nach dem obligatorischen ‘Living After Midnight’ in den verdienten Feierabend verabschieden darf.
Behemoth
Die letzten Hartgesottenen nehmen zum Festival-Abschluss noch an der schwarzen Messe von Behemoth teil. Ähnlich wie bei Gojira zuvor fällt auch hier die Zuschauerzahl deutlich ab, die wenigen Anwesenden werden aber Zeuge einer perfekt durchgestylten Show mit brennenden umgedrehten Kreuzen, Flammen- und Nebelsäulen und einem teuflisch guten Nergal. Nur in Sachen Sound hätte man sich dann doch den Tontechniker von Gojira zurückgewünscht. Die Gitarren sowie der Gesang gehen bei dem massiven Bass Drum-Gewitter von Schlagzeuger Inferno etwas unter, hellen im Laufe der pechschwarzen Zeremonie jedoch mehr und mehr auf. Stimmung will sich aber trotz der engagierten Performance nicht so richtig einstellen, zwischen den Songs herrscht fast schon eine unangenehme Stille. Das haben Behemoth definitiv nicht verdient. Mit den aggressiven ‘Conquer All’, ‘Christians To The Lions’ oder dem alles zu Tode stampfenden ‘Ov Fire An The Void’ können sie für einige Momente das Ruder zwar herumreißen, der Funke sollte aber bis zum majestätischen Finale von ‘O Father O Satan O Sun!’ nicht mehr wirklich überspringen. Fazit: Publikum schwach, Behemoth stark.
Als Resümee des gesamten Festivals lässt sich eigentlich nur folgendes festhalten: Ja, das Sweden Rock ist definitiv kein billiges Festival. Bei einem Ticketpreis von umgerechnet rund 250 Euro, zusätzlichen Campingkosten von ca. 50 Euro, Bierpreisen von knapp 8 Euro für 0,5l und Essenspreisen, die gut und gerne die 10 Euro knacken können, kann man hier eindeutig von einem Boutique-Festival sprechen, bei dem Qualität ganz klar der Quantität vorgezogen wird. Dank des bärenstarken Line-Ups, der famosen Organisation und Durchführung sowie der äußerst angenehmen Festival-Atmosphäre lohnt sich eine Reise nach Schweden allerdings definitiv. Nächstes Jahr wieder!
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