Debauchery-Sänger zur Kündigung genötigt

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Blut. Überall Blut. Eine barbrüstige, nur mit Stringtanga bekleidete Frau kniet auf dem Boden und hält einen Eimer voll roter Flüssigkeit in die Höhe. Lasziv lächelnd gießt sie sich dem Inhalt über den Körper. Das Foto ist das CD-Cover von BACK IN BLOOD der Stuttgarter Heavy Metal-Band Debauchery (dt. „Ausschweifung“). Wer beim Anblick verschreckt den Kopf schüttelt sollte bedenken, dass Provokation ein gängiges Stilmittel in der Kunst ist. Explizite Darstellung von Horror und Gewalt finden sich frei zugänglich im Abendprogramm des Fernsehens, in Gemäldegalerien und der Krimiabteilung vom Bahnhofsbuchladen.

Die nackte Frau auf dem Bild ist die ehemalige Freundin von Thomas Gurrath, dem Sänger und Gitarristen der Band. Gurrath studiert Politik, Ethik und Geschichte auf Lehramt. Teil des Studiums ist das Referendariat, das zur Vorbereitung auf die Beamtenlaufbahn dient.

Im Januar 2010 beginnt Thomas Gurrath sein Referendariat am Hegelgymnasium in Stuttgart-Vaihingen. Seine Band Debauchery ist seit Jahren international erfolgreich und gibt regelmäßig Konzerte. Die Nebentätigkeit als Musiker meldet Gurrath vorschriftsmäßig bei seinem Seminarleiter an. Als dieser im Zuge einer Internetrecherche auf das Bilder wie das eingangs geschilderte Plattencover stößt, schickt er eine Mail an die Direktorin des Hegelgymnasiums, Frau Barbara Graf. Sie bittet Gurrath zum persönlichen Gespräch, und bezeichnet ihn im Verlauf dessen als psychisch krank. „Sie kündigte eine Attestpflicht für mich an und sagte, sie werde die Lehrerschaft über mich informieren, damit sie wissen mit wem sie es zu tun hätten. Zusätzlich wurden alle Fachleiter informiert“, beschreibt der Referendar das Gespräch.

Gurraths erste Unterrichtsstunde fällt auf das Fach Ethik. Mit einer neunten Klasse diskutiert er über Gewaltdarstellungen in Computerspielen. Verschiedene Standpunkte zum Thema werden vom Lehrbuch vorgegeben. Während die Klasse engagiert und lebhaft diskutiert, nutzt die Seminarleitung die Stunde, um ein Gutachten über Gurraths charakterliche Eignung als Referendar zu erstellen. Er selbst wird darüber nicht informiert.

Die Fachbereichsleiterin kommt in diesem Gutachten zum Schluss, dass „…Herr Gurrath nicht glaubhaft machen kann, dass er für Gewaltfreiheit als Lehrer einsteht.“ Sie begründet ihre Schlussfolgerung durch Zitate, die laut Gurrath aus dem Zusammenhang gerissen wurden. Das Gutachten wird an das für Schule und Bildung zuständige Regierungspräsidium Stuttgart geschickt.

Als Gurrath bei seiner Seminarleitung anmerkt, dass er das Ausbildungsverhältnis als gestört empfindet, wird ihm die Kündigung nahe gelegt. Sollte er nicht selbst gehen, werde seine Nebentätigkeit als Musiker untersagt. Außerdem würde man ihm attestieren, für den Beruf charakterlich nicht geeignet zu sein. Erst wenn Gurrath „…den Nachweis erbringt, dass er sich von seiner bisherigen Musikrichtung … über einen Zeitraum von drei Jahren distanziert hat…“, kann er möglicherweise wieder eingestellt werden, schreibt das Stuttgarter Regierungspräsidium.

Nach Einschätzung des Hamburger Rechtsanwaltes Niels Bialeck entbehrt speziell diese Forderung nach musikalischer Abstinenz jeglicher tragfähiger juristischer Grundlage. Laut Schulgesetz sind fachliche Leistung und persönliche Eignung der Referendare ausschlaggebend. „Allein von einer Nebentätigkeit als Musiker auf die persönliche Nichteignung zu schließen, überspannt in meinen Augen eklatant den Spielraum, den ein staatlicher Dienstherr bei der Beurteilung seiner Anwärter hat“, so Anwalt Bialeck. Von Seiten der Seminarleitung und des Stuttgarter Regierungspräsidium gibt es zu dem Vorfall aus personalrechtlichen Gründen keinen Kommentar.

Aufgrund des Drucks seitens der Schule und der Behörde hat Thomas Gurrath gekündigt. Seine Perspektive: „Ich könnte es in einem anderen Bundesland noch mal versuchen oder an eine Berufsschule wechseln.“ Als Lehrer an einem Stuttgarter Gymnasium zu arbeiten, scheint ihm unter den geschilderten Umständen nicht mehr möglich.
 

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